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Von der Leyen stellt ihren "Green Deal" für Europa vor – das steht drin

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Die neue EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen.Bild: Getty Images/watson
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Von der Leyen stellt ihren "Green Deal" für Europa vor – das steht drin

11.12.2019, 16:4311.12.2019, 17:55
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Ursula von der Leyen hat am Mittwoch den ganz, ganz großen Vergleich ausgepackt: Ihr "Green Deal" für Europa sei eine Vision, vergleichbar mit der Vision der Mondlandung Anfang der 1960er Jahre.

"Jemand hat mal gesagt: Das ist Europas Mann-auf-dem- Mond-Moment", sagte von der Leyen in Brüssel.

Beim "Green Deal" handelt es sich um ein umfangreiches Paket an Gesetzesvorhaben mit einem Ziel: Bis 2050 soll Europa "klimaneutral" werden.

Klimaneutralität bedeutet, dass von 2050 an keine neuen Treibhausgase aus Europa in die Atmosphäre gelangen, um die Erderwärmung – wie im Pariser Klimaabkommen vorgesehen – bei 1,5 Grad zu stoppen.

Wir erklären euch den Plan in sechs Punkten.

Klimaneutral bis 2050

Grundlage des "Green Deals" ist ein Gesetzesvorschlag, der die Klimaneutralität der EU bis 2050 als Ziel fixiert.

Bis 2030 wird außerdem ein Zwischenziel festgelegt: Der CO2-Ausstoß soll bis dahin um mindestens 50 Prozent sinken. Referenzjahr ist 1990.

Der Deal sieht eine Reihe von Vorschlägen vor, um diese Ziele zu erreichen.

Verkehr

Im Verkehrssektor soll weitgehend auf alternative Antriebstechnik umgesattelt werden. Bis 2025 will die EU-Kommission dafür eine Million Ladestationen für E-Autos. Zugleich betont die Behörde, Technologieneutralität wahren zu wollen, also nicht ausschließlich auf Elektroantriebe zu setzen.

Desweiteren soll der Emissionshandel auf die Schifffahrt ausgeweitet werden. Besonders umweltschädlichen Schiffen soll das Einlaufen in europäische Häfen verweigert werden.

Um den Flugverkehr einzugrenzen, hat der für den "Green Deal" zuständige Kommissionsvize Frans Timmermans eine Kerosinsteuer vorgeschlagen.

Energie

Die EU-Kommission möchte Energieeinsparungen forcieren und setzt dabei etwa auf die Sanierung von Gebäuden.

Die Stromproduktion soll nach und nach vollständig auf erneuerbare Energien umgestellt werden. Die EU-Kommission kündigte etwa eine "Offshore-Offensive" für nächstes Jahr an, damit in europäischen Küstengebieten mehr Windräder gebaut werden.

Nicht eindeutig ist weiterhin die Einstufung von Atomenergie. Eine Reihe von EU-Ländern bezweifelt, dass Klimaneutralität bis 2050 ohne neue Kernkraftwerke zu erreichen ist. Andere Länder wie Österreich sind strikt dagegen, Kernkraft als grüne Energiequelle einzustufen.

Land- und Forstwirtschaft

Die Verwendung von chemischen Pflanzenschutzmitteln soll bis 2030 halbiert, und auch Düngemittel sollen deutlich sparsamer eingesetzt werden. Für den Einsatz von Antibiotika in der Landwirtschaft sind weitere Einschränkungen angedacht.

Die europäischen Wälder sollen aufgeforstet werden. Insgesamt sollen Tausende neue Bäume auch in Städten gepflanzt werden. Die Maßnahmen in den Bereichen Land- und Forstwirtschaft sollen auch dazu beitragen, das dramatische Artensterben aufzuhalten.

Aerial photo of a forest in Brandenburg county, Germany, middle of May.
Wälder sollen aufgeforstet werden.Bild: Getty

Industrie

In der EU soll künftig "sauberer Stahl" mit Wasserstoff produziert werden. Ab 2030 könne so CO2-emmissionsfrei Metall produziert werden, hofft die EU-Kommission. Auch für Batterien – das wichtigste und teuerste Einzelteil von E-Autos – sollen neue, grüne Produktionsweisen entwickelt werden.

Globale Dimension

Um den Rest der Welt dazu zu bringen, der EU in ihren Ambitionen nachzufolgen, soll der Klimaschutz zum einen in der Handelspolitik der EU verankert werden. Beim Abschluss von Freihandelsabkommen hätte das Klimaschutzniveau in den Partnerländern dann Priorität.

Zum anderen ist eine CO2-Grenzsteuer geplant, "um das Risiko einer Verlagerung von Kohlenstoffemissionen zu verringern". Diese Abgabe entspräche einem Aufschlag auf Importe bestimmter Produkte aus bestimmten Ländern, in denen Klimaschutz nicht so groß geschrieben wird.

Okay, und was kostet das Ganze?

Für den grünen Wandel sind laut Kommission jährlich zusätzliche Investitionen in Höhe von 260 Milliarden Euro nötig. Dieses Geld soll sowohl aus dem öffentlichen als auch dem privaten Sektor kommen. Eine wichtige Rolle kommt in den Plänen der Europäischen Investitionsbank zu, die mit der Vergabe günstiger Kredite weitere Investitionen "mobilisieren" soll.

Zudem ist geplant, ein "Just Transition"-Fonds für einen sozial gerechten Strukturwandel aufzulegen, insbesondere um stark von fossilen Brennstoffen abhängigen Regionen unter die Arme zu greifen. Auch sollen die EU-Subventionsregeln dahingehend verändert werden, dass Mitgliedstaaten klimafreundliche Unternehmen einfacher fördern können.

Was sagen die Kritiker?

  • Den einen geht es nicht schnell genug: Grüne und Umweltschützer kritisieren vor allem, dass von der Leyens neues Etappenziel erst im Herbst des nächsten Jahres festgezurrt werden soll und dass der "Green Deal" zunächst nur die Ankündigung einer Vielzahl von Gesetzen und Programmen in den Jahren 2020 und 2021 ist.
  • Dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) gehen von der Leyens Pläne hingegen zu weit. Die ständige Verschärfung der Klimaziele führe zu einer Verunsicherung der Konsumenten und Unternehmen, sagte BDI-Präsident Dieter Kempf der Deutschen Presse-Agentur. Das sei "Gift für langlebige Investitionen".

Und nun?

Seit Mittwochnachmittag debattiert das Europaparlament über den Deal. Eine Mehrheit hat kürzlich erst den Klimanotstand ausgerufen – sie dürfte von der Leyen zur Seite stehen.

Spannend wird es beim EU-Gipfel am Donnerstag. Polen, Ungarn und Tschechien wollen konkrete Zusagen für Milliardenhilfen, bevor sie das Ziel der Klimaneutralität 2050 akzeptieren. Das ist jedoch knifflig, weil der EU-Finanzplan für das nächste Jahrzehnt noch nicht steht. Diplomaten schätzten die Chance für eine Einigung auf nur 50 Prozent.

(ll/afp/dpa)

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