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Kadewe: Werbeaktion mit Hengameh Yagoobifarah erzürnt Mitarbeiter und Kunden

KaDeWe Coronakrise Berlin, 18.03.2020, KaDeWe. Wegen des Coronavirus bleibt das Kaufhaus des Westens bis auf Weiteres geschlossen. Auch der Tauentzien zeigt sich ungewoehnlich leer. Die Massnahmen zur ...
Das Kadewe zieht mit einer Werbeaktion den Zorn der Kunden und Mitarbeiter auf sich.Bild: www.imago-images.de / Andreas Gora
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Kadewe-Plakat erzürnt Mitarbeiter: Kaufhaus reagiert

24.09.2020, 16:5024.09.2020, 16:54
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Das Kaufhaus des Westens, kurz Kadewe, ist das, was gemeinhin als ein Luxus- mindestens aber Konsumtempel bezeichnet werden kann. Auf 60.000 Quadratmetern bietet das bekannteste Warenhaus Deutschlands feil, was das Konsumentenherz in der gehobenen Preiskategorie begehrt. Schon das neoklassizistische Gebäude verkündet einen gewissen luxuriösen Flair. Die Fassade im Stil der modernisierten italienischen Renaissance gleicht einer Versprechung, dass im Inneren zu erwerben ist, was sich viele derer, die an dem Bauwerk in der Berliner Tauentzienstraße vorbeiflanieren, nicht leisten können. Verkauft wird der Luxus von eigens geschulten Mitarbeitern, die neben Warenkunde auch Rhetorik lernen und in Farb- und Stilberatung bewandert sind.

Da mag es dem ein oder anderen etwas merkwürdig anmuten, aufrührerisch vielleicht, oder sogar anstößig, dass ausgerechnet jenes Abgrenzung-nach-Unten verheißende Kadewe mit der "Taz"-Autorin Hengameh Yaghoobifarah wirbt. Die Autorin hatte in einer Kolumne überlegt, welche Arbeit Polizei machen könnte, wenn sie abgeschafft würde – und war zu dem Schluss gekommen, dass Polizisten auf den Müll gehörten. "All Cops Are Berufsunfähig" hieß der Text, angelehnt an die linke Parole "All Cops Are Bastards" (ACAB). Eine Sommerwoche lang sorgte Yaghoobifarahs Kolumne für viel Entrüstung.

Bundesinnenminister Horst Seehofer hatte sogar kurzzeitig überlegt, Strafanzeige gegen die non-binäre Autorin zu stellen. Passiert ist das nicht, der Text war – das sieht auch der Presserat so – vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt. Der Inhalt war freilich Geschmacksfrage.

Kadewe wirbt mit umstrittener Autorin

Eben jene Autorin präsentiert nun auf einem großen Plakat im Kadewe-Schaufenster einen Mantel samt Schuhen; der Gesamtwert des Outfits übersteigt das deutsche monatliche Durchschnittsgehalt um gut das Doppelte. Auf der Scheibe prangt der linke Leitspruch: "Alles allen". Die Ironie dabei: Eine den Kapitalismus kritisierende, Polizei-kritische Kolumnistin wirbt für luxuriöse Mode im Schaufenster eine Edelkaufhauses, das durchaus als Herz des Kapitalismus begriffen werden kann.

Werbung entfacht Kunden-Wut

Allein, für viele Menschen geht das nicht zusammen, Antikapitalismus und Luxus-Mode: Noch dazu präsentiert von einer kritischen Person, die so gar nicht westlichen Beauty-Standards entsprechen will. So toben sich Dienstagabend etwa auf der Facebookseite des Kadewe wütende Kunden aus, die ihrer Empörung über die Werbung Luft machen. "Völlig daneben" und "blöd" gehören dort noch zu den differenzierteren Kritiken. Der Tenor: Ihr werbt mit jemandem, der die Polizei auf den Müll schicken will, also wollen wir nicht mehr bei euch kaufen. An anderer Stelle wird Yaghoobifarah auch mit diffamierenden, menschenfeindlichen, Äußerungen beleidigt, weil sie als Frau wahrgenommen wird beziehungsweise ihr Körper missfällt.

"Alles allen!", fordert Yaghoobifarah.
"Alles allen!", fordert Yaghoobifarah.Bild: Screenshot Kadewe

Angestellte und Polizei ebenfalls sauer

Das Personal des Kaufhauses soll der Werbekampagne kritisch gegenüberstehen, zumindest die beiden Angestellten, mit denen die Berliner Zeitung "B.Z." über die Plakate gesprochen hat. Es sei "mehr als peinlich, dass ausgerechnet diese Frau für unser Haus werben soll", zitiert das Blatt eine Service-Mitarbeiterin. Ein Verkäufer soll sogar "regelrecht wütend" sein.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) tat zur Werbeanzeige kund, es sei "verwunderlich, dass eine Dame, die sich den antikapitalistischen Kampf auf die Fahne geschrieben hat, für durchaus kostspielige Mode modelt". Die Werbung sei scheinheilig und das Kadewe sollte sich fragen, "ob es nicht vielleicht auch Polizistinnen und Polizisten gibt, die dort einkaufen und die dann die Person im Schaufenster sehen, die sie allesamt auf dem Müll entsorgen wollte", sagte GdP-Sprecher Benjamin Jendro.

Der Schmerz darüber, dass Yaghoobifarah ihre Meinung in einer "Taz"-Kolumne frei zum Ausdruck brachte, sitzt offenbar noch tief.

Entrüstung bei Twitter

Bei Twitter trendete der Hashtag #Kadewe noch am Donnerstagvormittag, kritische Stimmen und Lob gaben sich die Tweets in die Hand und verdammten entweder das Kadewe und sein polizeikritisches Model für eine vermeintliche Doppelmoral oder lobten beide für die gelungene, weil provozierende und polarisierende, Werbung.

Wieder andere befanden, es sei doch legitim für eine Person, wenn sie mit einem Modeljob Geld verdienen wolle, unabhängig davon, dass sie einen Text in der "Taz" veröffentlicht hat. "Geld muss man verdienen", und da dürfte von Yaghoobifarah bis Polizeigewerkschaft jeder zustimmen.

Kadewe reagiert und verteidigt sich

Das Kadewe selbst sieht in der Werbekampagne einen Ausdruck von Pluralität und Meinungsfreiheit. Unter dem Slogan "Everyone is welcome" stehe die Werbung für "die Weltoffenheit des Kadewe, als Ort der Begegnung, der gesellschaftlichen und kulturellen Vielfalt", heißt es aus der Presseabteilung. Dazu zähle man auch "die Kunst- und Meinungsfreiheit, die Kontroverse, den Disput".

Dass sich Polizisten da vielleicht angegriffen fühlen, nimmt das Haus in Kauf, distanziert sich aber gleichzeitig von der "All Cops Are Berufsunfähig"-Kolumne seines Models: "Das Kadewe toleriert andere Meinungen, auch wenn wir sie nicht immer teilen. Wir alle halten das aus."

Die modelnde Yaghoobifarah selbst lässt sich nicht so recht festnageln darauf, was die Werbung nun sein soll, und das dürfte Absicht sein. Sie bezeichnet ihren Auftritt für das Kadewe in einem Tweet am Mittwoch als "einfach ein Model-Job", in einem anderen als "linke Propaganda im Luxuskaufhaus".

Vielleicht eine weitere ironische Brechung des Mottos "Allen alles" – das kann in letzter Konsequenz auch in die Gegenrichtung gelesen werden und dann bedeuten, dass eine Kapitalismuskritikerin Geld mit Werbung verdient.

(pcl)

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