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Horst Seehofer: Das Leben des CSU-Politikers

In Bayern daheim, in der Welt zuhause: Horst Seehofer
In Bayern daheim, in der Welt zuhause: Horst SeehoferBild: dpa
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Er ist noch Innenminister! Und hier sind 13 legendäre Zitate von Horst Seehofer

02.07.2018, 21:0003.07.2018, 00:01
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Am Mittwoch wird der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer stolze 69 Jahre alt. Und er ist immer noch Innenminister!

Wer ist dieser Kerl eigentlich? Ein Psychogramm in 13 Zitaten.

Der ewige Rückkehrer

"Ich lag schon zweimal im Sarg. Einmal aus gesundheitlichen Gründen, einmal aus politischen.“
Horst Seehofer über das Phänomen der Auferstehungfocus

Horst Seehofer ist gefühlt schon immer da. 1980 zieht der Diplom-Verwaltungswirt aus Bayern zum ersten Mal in den Bundestag ein. Da ist die Hauptstadt noch Bonn, es regiert Helmut Schmidt aus Hamburg und in Berlin steht noch die Mauer.

Seehofers Karriere in Kurzform: 

  • 1992 bis 1998 Gesundheitsminister unter Helmut Kohl.
  • 2005 bis 2008 Agrarminister unter Angela Merkel. 
  • 2008 bis 2018 Ministerpräsident in Bayern (unter Horst Seehofer).
  • 2018 bis ?? Innen- und Heimatminister unter Angela Merkel.
Gesundheitsminister Seehofer 1992.
Gesundheitsminister Seehofer 1992.Bild: dpa

Seehofer engagiert sich in der Sozialpolitik. Herzenssache für den Sohn eines Bauarbeiters.

  • 2002 verschleppt er eine Herzmuskelerkrankung, landet auf der Intensivstation. Es ist knapp. "Wenn Sie in der Klinik liegen und den Arzt fragen: Schaffe ich das? Und der antwortet einfach nicht, wissen Sie wie ernst die Lage ist", sagt er hinterher dem ZDF.
  • Die politische Nahtoderfahrung erlebt er 2004. Im Streit mit Unions-Fraktionschefin Angela Merkel über die Kopfpauschale bei der Krankenversicherung. Seehofer lehnt sie als unsozial ab, Merkel ist dafür. Seehofer legt sein Amt als Vize-Fraktionschef nieder. Schon ein Jahr später ist er zurück – als Landwirtschaftsminister im ersten Kabinett der Kanzlerin Angela Merkel.

Der Mann kehrt einfach immer wieder.

Der Hund

"Er leistet sich zu viele Schmutzeleien."
Horst Seehofer über Markus Söder 2012 (beide CSU)

Die CSU ist Bayern. Und Bayern ist die CSU. Das muss man wissen zum Verständnis der Partei. Und ihres Personals. Hund seit’s scho, das ist im Bayerischen eine Anerkennung für menschliches Schlawinertum und politische Gerissenheit.

Ein bayerischer Polizeihund
Ein bayerischer PolizeihundBild: dpa

Manchmal aber geht das zu weit. Entschieden zu weit. Edmund Stoiber verwies im Kampf um das Ministerpräsidentenamt 1993 auf die kriselnde Ehe seines Kontrahenten Theo Waigel. Selbst der Münchner Kardinal Friedrich Wetter schaltete sich ein. Waigel bekam seine Ehe mit der früheren Skirennläuferin Irene Epple und verzichtete auf das Ministerpräsidentenamt, Bayern: bekam Edmund Stoiber.

Die CSU ist eine Staatspartei. Die wichtigste Opposition findet sich nicht beim politischen Gegner, sondern in der eigenen Partei. Seehofers Kontrahent war Markus Söder. Dem verlief der Abgang zu langsam, er intrigierte. Seehofer hielt ihm "Schmutzeleien" vor. Manches ist eben doch zu viel, selbst in der CSU.

Schmutzig kann Seehofer auch:

  • Karl Theoder zu Gutenberg, CSU, nannte er "Glühwürmchen".
  • Hans-Peter Friedrich, seinen CSU-Vorgänger im Innenressort, "Oberbedenkenminister".

Der Kalkulierende

"Das können Sie alles senden."
Horst Seehofer, 2012, im ZDF

Psst, er spricht Klartext!

Der Abgang ist das Schwierigste in der Politik. Für jeden. Es gibt wenige, die wie Seehofer zurückkommen. Aber viele, die am Amt hängen.

Als der CDU-Politiker Norbert Röttgen 2012 nach verlorener Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am Amt des Ministers klebte, gab Seehofer dem "heute journal" ein Interview. Danach plauderte er munter mit Moderator Klaus Kleber weiter, lästerte über Röttgen und die Berliner Politik und schob hinterher. "Das können sie alles senden!"

So kam es auch. Bald darauf war Röttgens Karriere zu Ende. Auch ein Horst Seehofer kann schubsen.

Der Heimatverbundene

"Bayern ist das Paradies."
Horst Seehofer, 2018, zum Abschied aus dem Amt des MinisterpräsidentenSüddeutsche zeitung

Wer runterfährt in den Süden und in den Alpen Ski läuft oder am Ammersee segelt, der beginnt zu begreifen. Es ist schon schön da in Bayern. Und es funktioniert. (Gut, auch in München klemmt die S-Bahn unterm Hauptbahnhof.)

Diese Boote sind in Bayern willkommen, wie hier am Ammersee.
Diese Boote sind in Bayern willkommen, wie hier am Ammersee.Bild: dpa

Das Problem mit dem Paradies ist nur: Alles von draußen wird als Störung des Paradiesischen empfunden.

  • Die Stromkabel für die Windenergie aus dem Norden müssen unter die Erde.
  • Die Windräder für den Strom vom Feld müssen weg vom Dorf.
  • Und der Flüchtling soll eben draußen bleiben.

Der Hallodri

"Der politische Erfolg kann nie das private Umfeld ersetzen. Das wäre ja ganz verrückt."
Horst Seehofer, 2007, über eine Liebesaffäre

2007 strebt Seehofer nach dem CSU-Vorsitz. Und nicht ganz zufällig wird eine außereheliche Affäre bekannt. 

Seehofer wurde 2007 Vater einer außerehelichen Tochter, Mutter und Kind leben in Berlin, seine Frau Karin und die drei erwachsenen Kinder in Bayern.

Ein Stenz und ein Hallodri

"Monaco Franze, ein Bild von einem Stenz und Hallodri.

Seehofer erklärte das Ganze zur Privatsache. Seine Frau Karin Seehofer erklärte im März 2018 in einem bemerkenswerten Interview mit der "Süddeutschen Zeitung". "Fürchterlich. Aber wir haben das sehr gut in den Griff bekommen. Dabei möchte ich es auch belassen."

Auch Bayern kennt seine Doppelmoral.

Der Scharfmacher

"HIV-Infizierte müssen in speziellen Heimen konzentriert werden."
Horst Seehofer, 1987, über HIV-Infizierte

"Aids" – das war damals ein neues Wort. Die Welt tat noch unwissend, besonders die Bayerische. Und so regte der CSU-Bundestagsabgordnete Seehofer Lager für HIV-Infizierte an.

Es brauchte Rita Süssmuth in der CDU, um ein wenig für Aufklärung zu sorgen. Sie wurde damals von den Alt-Konservativen in der Partei ungefähr so angefeindet wie heute Angela Merkel für ihre Flüchtlingspolitik. Männer tun sich manchmal schwerer mit der Modernisierung.

Der Demütigende

"Wir wollen Steuerung, wir wollen Ordnung. Und wir wollen Begrenzung… Wir haben die große Bitte und Forderung, dass wir weiter sprechen über Obergrenze... Wir sehen uns zu diesem Thema in jedem Fall wieder."
Horst Seehofer im November 2015 zu Angela Merkel

Welch ein Auftritt, welch eine Demütigung. Im November 2015 ließ Seehofer auf dem CSU-Parteitag die Gastrednerin Angela Merkel wie ein Schulmädchen neben sich stehen. Merkel wollte eigentlich ans Rednerpult, aber das mochte Seehofer nicht räumen und erteilte Belehrungen.

Seehofer degradiert mal eben Merkel:

Vor laufender Kamera. Da war klar, dass es der CSU ernst ist. Mit Obergrenze und ihrer Ablehnung der Merkel'schen Flüchtlingspolitik.

Das muss man Seehofer lassen. Wenn Konfrontation, dann offen.

Die Welt als Miniatur (wie sie mir gefällt)

"Bisher gibt’s die nicht. Aber wenn das alles erfolgreich läuft, dann wird irgendeine Firma auch Markus Söder herstellen."
Horst Seehofer über seinen Nachfolger Markus Södersüddeutsche zeitung

Horst Seehofer im März 2018 über seine Leidenschaft für die Modelleisenbahn im Bayerischen Rundfunk. Im Keller bei Seehofers steht eine Modelleisenbahn. Gesehen hat sie der Reporter des "Spiegel" nicht, aber er hat sie in sienem Porträt beschrieben. Demnach ist dort auch Angela Merkel dargestellt. Aber Seehofer stellt die Signale.

Auch andere sind schnell unterwegs

Kurt Beck, ehedem SPD-Chef, auf einer Sommerrodelbahn.
Kurt Beck, ehedem SPD-Chef, auf einer Sommerrodelbahn.Bild: dpa

Ins Bild des großen Dispatchers passt, dass auch Markus Söder dort ein Plätzchen finden könnte. Mit einer echt Seehofer'schen Einschränkung: Wenn er Erfolg hat. Was immer das dann im Umkehrschluss über die politische Bilanz der Kanzlerin sagt.

Populismus in der bayerischen Variante 

"Die CSU hat eine Koalition mit der Bevölkerung."
Horst Seehofer über das einzige politische Band, das zählt.

Das politische System in Bayern tickt anders. Es gibt die CSU. Und das Wahlvolk. Und dazwischen gibt es die CSU-Abgeordneten mit einer Art imperativem Mandat.

Ein Beispiel ist die Debatte um das achtjährige Gymnasium (G8). Stoiber paukte die Verkürzung in Rekordzeit durch. Aber die Eltern rebellierten. Mit ein Grund für das schlechte Wahlergebnis 2008 analysierte Seehofer. Umgehend erneuerte er das Koalitionsversprechen mit dem Wahlvolk und kippte das G8. So läuft das in Bayern mit der Basis und der Demokratie.

"Sie können keine Politik gegen die Bevölkerung machen", so Seehofer. Das ist richtig. Es ließe sich freilich auf fragen, ob manche Dinge, die für notwendig erachtet werden, nicht auch erklären ließen.

Nicht in der CSU. Sie pflegt einen spezifischen bayerischen Populismus. Das Ohr immer nah dran am Volk und dann entsprechend handeln. Schlingerkurs wie beim G8?

Ach, was. Man muss auch den Mut haben, sich zu korrigieren. So ist er, der Seehofer.

Der Konservative (afd-isiert sich)

"Die Geografie der CSU ... ist eine Mitte Rechts-Volkspartei, ein Sammelbecken für Konservative, Liberale, Nationalkonservative, für Menschen, die auf dem demokratischen Boden unseres Landes stehen."
Horst Seehofer verortet im März 2018 seine Parteibayerischer rundfunk

Lederhose und Dirndl ist ja noch nicht von gestern. Das zeigt die Wies’n jedes Jahr. CSU-Übervater Franz Josef Strauß hat mal erklärt. "Es gibt keine rechte Mitte und keine linke Mitte, es gibt nur eine Partei der Mitte." Das war nach ihrem Selbstverständnis die CSU.

Zum Selbstverständnis der Partei gehört seit Strauß aber auch, rechts von ihr ist kein Platz im Parteienspektrum. Das klappte bei den Republikanern, aber nicht bei der AfD.

Und so erlebt die Partei einen Prozess der Selbtsradikalisierung. Schluss mit der bayerischen Liberalität. Die CSU afd-isiert sich und übernimmt deren ehrgeizigstes Ziel: Merkel muss weg.

Der Negierer

"In Bayern... bin ich gegen Gentechnik. In Brandenburg aber, wo es Bürgerinitiativen für diese Technologie gibt, muss man die Frage anders beantworten."
Horst Seehofer über gute und weniger gute Gentechnik in seiner Zeit als Agrarminister (2005-2008)

Die heile Welt. Ein echtes CSU-Ideal. Sie bauen zwar Autos und Flugtaxen in Bayern, sie sind ein Spitzenforscherland. Aber die Neuerung soll sich bitte woanders vollziehen. Jenseits von vielen guten Argumenten gegen die Gentechnik, sagt das viel. Auch über Bayerns Position in der Flüchtlingspolitik.

Der Ausschließende

"Der Islam gehört nicht zu Deutschland. Deutschland ist durch das Christentum geprägt."
Horst Seehofer, 2018, als Innen- und Heimatminister

Zweifel an seiner Haltung hat Seehofer nie gelassen. Und kaum im Amt als Innenminister gleich einen Satz von Alt-Bundespräsident Christian Wulff kassiert ("Der Islam gehört zu Deutschland.")

Kanzlerin Merkel hat umgehend öffentlich widersprochen. Seither ist klar. Es geht um die Flüchtlingspolitik. Und es geht um Merkel. Und die Frage, wie offen, soll es sein, dass moderne Deutschland.

Der Asylstreit zwischen Merkel und Seehofer in Zitaten

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Der Asylstreit zwischen Merkel und Seehofer in Zitaten
Angela Merkel im August 2015 in Berlin: "Deutschland ist ein starkes Land. (...) Wir haben so vieles geschafft, wir schaffen das. Wir schaffen das, und wo uns etwas im Wege steht, muss es überwunden werden."
quelle: imago stock&people / thomas koehler/photothek.net
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Die paradiesischen Bayern würden sich gern einigeln im Garten Eden. Die Realpolitikerin Merkel weiß, dass das nicht nützt. Man kann sich nicht von der Welt abriegeln.

Und so setzt Seehofer auf eine Illusion: Die Welt dreht sich, nur in Deutschland bleibt alles gleich. Nichts sagt das besser aus, als die Umbenennung seines Hauses in Heimatministerium.

Heimat ist ein Sehnsuchtsort. Aber er liegt im gestern. Oder, um es mit einem bayerischen Komiker zu sagen: "Die Zukunft ist ein starker Gegner." Nicht nur für Seehofer.

Der Selbstverkennende

"Jetzt müssen Sie mir ein bisschen helfen, eine Niederlage kenne
ich überhaupt nicht."
Horst Seehofer, März 2018, zu seinem Abschied als Ministerpräsidentsüddeutsche Zeitung

Schön, wer so von sich reden kann. Aber das zeugt auch von wenig Demut. Niederlagen gab es etliche im Leben des Horst Seehofer.

  • 2007 wollte er CSU-Chef werden. Er scheiterte an Erwin Huber. 2008 mussten sie ihn zurückholen, als CSU-Chef und als Ministerpräsident.

Vielleicht prägt das das Selbstbild, das Seehofer von sich hat. Umso mehr musste es ihn schmerzen, dass er im März 2018 nicht ganz freiwillig von Bayern schied. Die Umfragen für die Landtagswahl waren zu deprimierend, so wurde Seehofer wegbefördert als Innenminister nach Berlin.

Der Abgeschobene sagte dem Bayerischen Rundfunk zu den erlittenen Demütigungen.

"Ich schweige…, trotz etlicher Bösartigkeiten, und das ist dem Gesamtunternehmen Bayern und CSU nur förderlich. Es ist im Leben alles endlich und in der Politik allemal. Deshalb gehört der Ämterwechsel zur Normalität."

Auch eine Art Niederlagen und Verletzungen zu verkraften.

(Mitarbeit: Gavin Karlmeier, Helena Düll)

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