SPD-Parteichef Norbert Walter-Borjans ist grundsätzlich offen für eine 30-Stunden-Woche für Arbeitnehmer. Im ZDF-Sommerinterview am rechten Rheinufer in Köln sagte Walter-Borjans zu einem Vorstoß von Linken-Parteichefin Katja Kipping: "Das wäre zumindest ein Punkt, an dem ich sagen würde: 'Ja da kann man sich zumindest mal an den Tisch setzen.'"
Zudem äußerte sich Walter-Borjans optimistisch zu den Chancen seiner Partei: Der Anteil der Menschen, die grundsätzlich der SPD nahestehen, betrage in Deutschland laut Umfragen "stabil 30 Prozent". Walter-Borjans weiter: "Die Zielsetzung, diese Menschen wieder für die SPD zu begeistern, die ist geblieben. Es ist ein dickeres Brett, als ich am Anfang vielleicht gedacht habe, aber ich glaube nach wie vor daran, dass uns das gelingt."
Walter-Borjans wiederholte in dem Gespräch mit Moderator Theo Koll außerdem, dass er – wie seine Ko-Vorsitzende Saskia Esken – offen für ein rot-rot-grünes Bündnis mit Grünen und Linkspartei ist. Walter-Borjans wörtlich:
Position der SPD – auch Olaf Scholz' Position – sei es, dass die Politik der großen Parteien in Deutschland wieder unterscheidbar werden solle. Walter-Borjans weiter:
Walter-Borjans sagte allerdings auch, dass es bei bestimmten Themen erhebliche Unterschiede zur Linkspartei gebe, etwa in der Außenpolitik. Die Aussage von Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch im Interview mit dem "Deutschlandfunk", die Linke werde "die Nato nie auflösen", wertet Walter-Borjans als "Signal".
Walter-Borjans setzt nach eigenen Worten darauf, ein möglichst starkes SPD-Ergebnis bei der Bundestagswahl zu erreichen – und auf dieser Basis in Verhandlungen mit möglichen Koalitionspartnern zu gehen. Zur Linkspartei sagte er schließlich: "Wir gehen doch nicht in eine Bundestagswahl als künftiges Bündnis. Wir gehen in eine Bundestagswahl, weil wir die Positionen der SPD durchsetzen wollen.
Eine künftige Regierungskoalition unter SPD-Führung müsste laut Walter-Borjans auf drei Punkten basieren: erstens einer "dynamischen Wirtschaft, die auch Neues wagt", zweitens auf dem Zusammenhalt der Gesellschaft und drittens auf der Bekämpfung des Klimawandels.
Auf die Frage von Moderator Koll, ob die SPD lieber als Juniorpartner der Grünen mitregieren oder in die Opposition gehen würde, antwortete Walter-Borjans nicht.
Er sagte, er wolle lieber, dass die SPD so stark werde, dass andere Parteien sich überlegen müssten, ob sie mit ihr regieren wollten. Und auf eine Rückfrage Kolls zum Thema antwortete er:
Auf die Frage Kolls nach der teils heftig kritisierten Lobbytätigkeit von Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder und Ex-Außenminister Sigmar Gabriel – beide Vorgänger Walter-Borjans' als SPD Chef – sagte der:
Das ist immerhin ein zarter Seitenhieb auf Gabriel und Schröder. Beide sind bei manchen SPD-Anhängern bis heute beliebt, bei einem anderen Teil aber auch äußerst unpopulär. Er selbst würde ähnliche Tätigkeiten als Interessenvertreter für private Wirtschaftsunternehmen nach seiner Arbeit als SPD-Chef nicht übernehmen, sagte Walter-Borjans.
Zum Verhältnis zum frisch gekürten SPD-Kanzlerkandidaten Olaf Scholz sagte Walter-Borjans mehrfach, er vertraue Scholz. Zur Frage, ob der politisch eher in der Mitte stehende Scholz "Beinfreiheit" von der Partei mit ihren linken Vorsitzenden Esken und Walter-Borjans wolle (2013 hatte der damalige SPD-Kandidat Peer Steinbrück das von der Partei in einer Rede verlangt), sagte Walter-Borjans:
Koll sprach Walter-Borjans auch auf eine Aussage von Walter-Borjans' Ko-Chefin Saskia Esken zu Scholz an, die bis heute oft zitiert wird.
Esken war Ende November 2019, wenige Tage vor dem Ende der Urwahl um den SPD-Vorsitz, zusammen mit Walter-Borjans Gast in der ZDF-Talkshow "Lanz". Scholz war damals mit der brandenburgischen Landtagsabgeordneten Klara Geywitz noch Konkurrent der beiden um den Parteivorsitz der heutigen SPD-Chefs. Auf die Frage von Moderator Markus Lanz, ob Scholz aus ihrer Sicht ein "standhafter Sozialdemokrat" sei, sagte Esken damals: "Das kann ich im Lauf der sehr langen Jahre, in denen Olaf Scholz tätig ist, so nicht beurteilen. Ehrlich gesagt." Walter-Borjans saß damals schweigend neben Esken.
Im ZDF-Sommerinterview wurde der entspechende Videoausschnitt eingespielt. Walter-Borjans reagierte mit gelassenem Blick in die Kamera und antwortete humorvoll. Er sprach über seinen erneuten Auftritt bei Lanz am vergangenen Dienstag, bei dem er ebenfalls mit der Aussage Eskens konfrontiert worden war.
Walter-Borjans wörtlich: "Ich habe (Markus Lanz) gesagt, wenn Sie das nicht gemacht hätten, dann hätte ich an Ihrer Professionalität gezweifelt, was ich weder bei ihm noch bei Ihnen tue." Dann sagte er zu der damaligen Aussage Eskens:
Walter-Borjans meint damit Eskens Zögern auf die Frage, ob Scholz nun standhafter Sozialdemokrat sei.
Das stimmt auch: Esken hatte sich schon im November 2019 kurz nach ihrem Auftritt bei Lanz bei Scholz entschuldigt, unter anderem öffentlich via Twitter.
Mit der Kombination aus dem Kanzlerkandidaten Scholz – und Esken und ihm als linke Parteichefs – wolle die SPD zweierlei erreichen:
Walter-Borjans glaubt zudem nach eigener Aussage, die Bundestagswahl auch mit einem eher linken Programm gewinnen zu können. Auf die Aussage von ZDF-Moderator Theo Koll, dass Parteien Wahlen in Deutschland in der politischen Mitte gewinnen, sagte Walter-Borjans:
Was das konkret für ein mögliches Regierungsprogramm unter SPD-Führung bedeutet? Walter-Borjans sagte, dass er die Steuern für den reichsten Teil der Bevölkerung erhöhen, für die allermeisten Menschen in Deutschland aber senken will. Seine wörtliche Aussage dazu:
Auch für eine Vermögenssteuer auf besonders große Privatvermögen sei Kanzlerkandidat Olaf Scholz, sagte Walter-Borjans. Dazu habe Scholz sich schon "eindeutig" geäußert.
(se)