Deutschland
Best of watson

AfD-Parteitag: Meuthen bekommt Gegen-Kandidatin – das sind die Köpfe im Machtkampf

Abstract, Polygonal structure, Circle, dot, Geometric Shape, Network
Bild: imago/ xC.xHardtx/xFuturexImage/ watson-montage
Deutschland

AfD-Parteitag: Diese Kandidaten wollen an die Spitze der Partei

30.11.2019, 11:59
Mehr «Deutschland»

Eigentlich wollte AfD-Parteichef Alexander Gauland nicht mehr für den Vorsitz der Partei kandidieren. Der neue Bundesvorstand, der auf dem AfD-Bundesparteitag in Braunschweig an diesem Wochenende gewählt wird, sollte ohne den 78-Jährigen auskommen.

Gauland aber hält sich eine erneute Kandidatur doch noch offen. Nämlich dann, wenn der Kandidat, den er für seine Nachfolge eigentlich auserkoren hat, keine Mehrheiten finden sollte.

Gaulands Erbe soll der sächsischen AfD-Politiker Tino Chrupalla antreten. Er mache "heute Platz für einen Jüngeren", sagte Gauland am Samstag nach Beginn des Parteitags. Das gilt jedoch nur mit Einschränkung: Wenn sein Ko-Vorsitzender Jörg Meuthen und Tino Chrupalla als neue Doppelspitze auf dem Parteitag bestimmt würden, "würde ich es gerne so lassen, wie es geplant war", hatte Gauland dem "Focus" gesagt. "Ansonsten behalte ich mir eine Kandidatur für den zweiten Sprecherposten vor."

Die Wiederwahl des zweiten Parteichefs neben Gauland, Jörg Meuthen, galt als verhältnismäßig sicher. Doch auch er hat am Samstag eine Gegenkandidatin bekommen. Meuthen geht zudem mit einer Hypothek in den Parteitag: Er wurde von seinem baden-württembergischen Kreisverband nicht zum Delegierten gewählt und hat somit kein Stimmrecht in Braunschweig. Ein Grund dafür soll Meuthens Kritik an AfD-Rechtsaußen Björn Höcke gewesen sein.

Der Kompromiss: Tino Chrupalla

Der neue Chef an der Spitze der AfD könnte also aus Sachsen kommen. Der 44-jährige Malermeister, Tino Chrupalla, ist bestens mit dem im Osten starken rechten "Flügel" vernetzt, wird aber auch in den westlichen Landesverbänden akzeptiert.

Tino Chrupalla
Tino ChrupallaBild: imago images / Christian Spicker

Geboren im sächsischen Weißwasser machte er zunächst eine Ausbildung zum Maler und Lackierer, dann Zivildienst und später die Meisterprüfung im Freistaat. Viel politische Erfahrung hat Chrupalla nicht. 2017 landete er als Kandidat für die Bundestagswahl 2017 seinen bislang größten Coup: Er holte für die AfD das Direktmandat im Wahlkreis Görlitz – und zwar gegen den damaligen Unionsfraktionsvize und heutigen sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer. Im Bundestag ist Chrupalla Fraktionsvize und Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft und Energie. Den menschengemachten Klimawandel bezeichnet er als "Hype", er wettert gegen die Windkraft und die Grünen.

Chrupalla ist kein "Flügel"-Mitglied, hat aber beste Kontakte zu dessen Vertretern, vor allem zum sächsischen AfD-Landeschef Jörg Urban. Wohlwollend sieht ihn auch der Brandenburger Landeschef Andreas Kalbitz, der ebenso wie Björn Höcke als eigentlicher "Flügel"-Stratege gilt.

Chrupalla weiß auch, ohne den "Flügel" ist in der AfD keine Politik zu machen. Der "NZZ" sagte er auf den völkischen "Flügel" angesprochen: "Die CDU hat eine Werteunion, die SPD hat den Seeheimer Kreis – wir haben eben den nationalkonservativen Flügel. Solche Gruppen innerhalb einer Partei sind nichts Besonderes." Für Chrupalla ist eine in Teilen rechtsextreme Strömung, die beim Verfassungsschutz als "Verdachtsfall für rechtsextreme Bestrebungen" geführt wird, offenbar ganz normaler Bestandteil einer Partei.

Ob der Malermeister aus Ostsachsen den Parteitag an diesem Wochenende in Braunschweig für sich gewinnen kann, bleibt abzuwarten. Konkurrenzlos tritt er jedenfalls nicht an, es werden eine ganze Reihe von Kandidaten erwartet.

Der Kampfkandidat: Gottfried Curio

Ein Überraschungskandidat ist er: Der innenpolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Gottfried Curio, hat seine Kandidatur für den Parteivorsitz angekündigt.

Gottfried Curio
Gottfried CurioBild: imago

Auf seiner Facebook-Seite hat er ein Bewerbungsvideo veröffentlich, in dem er vor einer "Selbstauflösung" des deutschen Nationalstaats warnt. Curio sagte, er wolle für einen der beiden Chefposten kandidieren oder aber einen dritten Posten besetzen, sollte sich die Partei für eine Rückkehr zur Dreier-Spitze entscheiden, die es in der Anfangsphase der AfD gegeben hatte.

In seinen Bundestagsreden stellt er die Zuwanderung stets als eine große Bedrohung für die Gesellschaft dar. Dafür erntet er in den sozialen Medien viel Zustimmung von Mitgliedern der AfD. In der eigenen Fraktion ist man aber offensichtlich weniger von seinen Fähigkeiten überzeugt: Bei der Neuwahl der Fraktionsspitze im September hatte er erfolglos für zwei Posten kandidiert.

Der Antizionist: Wolfgang Gedeon

Auch der parteiintern umstrittene baden-württembergische Landtagsabgeordnete Wolfgang Gedeon hat seine Kandidatur für den Parteivorsitz bekannt gegeben. Das teilte er am Donnerstag auf der entsprechenden Online-Seite der AfD mit. Dort attackierte er auch den Bundesvorstand: Es sei skandalös, wenn dieser versuche, durch Parteiausschlussverfahren den innerparteilichen Meinungskampf zu seinen Gunsten zu steuern, schrieb er.

Wolfgang Gedeon
Wolfgang GedeonBild: imago images / Arnulf Hettrich

Ende Oktober war ein Parteiausschlussverfahren gegen den wegen Antisemitismusvorwürfen vorbelasteten Landtagsabgeordneten erneut gescheitert. In seinen Veröffentlichungen hatte er Holocaust-Leugner als "Dissidenten" bezeichnet, die antisemitische Schrift "Die Protokolle der Waisen von Zion" als seriöse Quelle eingestuft und das "Talmud-Judentum" zum "inneren Feind des christlichen Abendlandes" erklärt. Der baden-württembergische Landesvorstand hatte ebenfalls schon den Parteiausschluss gegen Gedeon angestrebt – das Landesschiedsgericht im Südwesten wies den Antrag aber unter Verweis auf formale Gründe zurück. Gedeon sitzt derzeit als fraktionsloser Abgeordneter im Parlament und löst mit seinen Redebeiträgen immer wieder Empörung aus.

Gedeon ist Anhänger der rechten Verschwörungstheorie vom "großen Bevölkerungsaustausch". Er ist fest davon überzeugt, dass die "Systemparteien" die "Abschaffung des deutschen Volkes" planen. Dies würde über "systematische Masseneinwanderung" geschehen (Langtagsrede vom 14.11.2019).

Die Unbekannte: Dana Guth

Sicher ist auch, dass die niedersächsische AfD-Landeschefin Dana Guth für die Gauland-Nachfolge bewerben wird. "Ja, ich kandidiere", sagte die Immobilien- und Versicherungsmaklerin gegenüber watson. Sie habe in ihrer Funktion als niedersächsische AfD-Landeschefin gezeigt, dass sie einiges beizutragen habe und bringe alles mit, was es für diese Position brauche. Guth möchte neben Jörg Meuthen Parteivorsitzende werden. Der sei für sie ganz klar gesetzt. Grundsätzlich könne sie aber mit jedem zusammenarbeiten, der sich für die AfD engagiere. Heißt, Guth würde auch mit einem Kandidaten des "Flügels" zusammenarbeiten.

28.02.2018, Niedersaechsischer Landtag, Hannover, Sitzung des Niedersaechsischen Landtages im Plenarsaal, im Bild Dana Guth (AfD, Fraktionsvorsitzende) bei ihrer Rede zum Thema Frauenhaeuser *** 28 02 ...
Dana GuthBild: imago images / Joachim Sielski

Die Meuthen-Herausforderin: Nicole Höchst

Die rheinland-pfälzische Bundestagsabgeordnete Nicole Höchst hat bestätigt, dass sie auf dem AfD-Bundesparteitag in Braunschweig für den Parteivorsitz kandidieren will. Sie trete gegen Amtsinhaber Jörg Meuthen an, sagte Höchst am Samstag am Rande des Parteitags der Nachrichtenagentur AFP. Die Mitgliederzusammensetzung bei der AfD zeige, "dass wir noch einige Frauen zusätzlich ansprechen müssen", sagte Höchst mit Blick auf die Männerdominanz in der Partei.

Nicole Höchst
Nicole HöchstBild: imago

Höchst hatte zuletzt mit einem Hitler-Vergleich auf sich Aufmerksam gemacht. "Meiner Meinung nach hat die Machtergreifung schon stattgefunden. Der Schnauzer trägt jetzt Raute", sagte die AfD-Frau Anfang des Jahres. Die Aussage verteidigte sie kurz vor dem Parteitag in einem ZDF-Interview.

Die Gretchenfrage: Was macht der Flügel?

Dass einer der beiden prominenten "Flügel"-Frontmänner, Björn Höcke oder Andreas Kalbitz, für einen der zwei Chef-Posten kandidiert, wird nicht erwartet.

Allerdings ist nicht auszuschließen, dass sich auf dem Parteitag erneut eine ganz eigene Dynamik entwickeln und der Streit zwischen den zwei AfD-Lagern, dem "Flügel" und dem vermeintlich gemäßigteren Lager, offen ausbrechen könnte. Bereits bei der Vorsitzendenwahl vor zwei Jahren hatte der "Flügel" überraschend die damals kaum bekannte – und mittlerweile aus der AfD ausgeschlossene – Doris Sayn-Wittgenstein ins Rennen geschickt, weshalb Alexander Gauland kurzentschlossen neben dem Fraktions- auch den Parteivorsitz übernahm und zusammen mit Jörg Meuthen das AfD-Führungsduo bildete.

Bjoern Hoecke, Vorsitzender der AfD-Fraktion im Thueringer Landtag, PK zu Auswirkungen der Landtagswahlen in Thueringen auf die Bundespolitik, DEU, Berlin, 28.10.2019
Björn HöckeBild: imago/jens schicke

Mit genügend Selbstbewusstsein treten die Flügel-Männer nach dem erfolgreichen Abschneiden bei den Wahlen in Brandenburg, Thüringen und Sachsen in jedem Fall an. Björn Höcke hatte im Vorfeld des Parteitages mehrfach gefordert, dass dem neuen AfD-Bundesvorstand mehr Vertreter aus dem Osten angehören sollen.

Für Streit zwischen den Lagern könnten auch Anträge sorgen, die vorsehen, die sogenannte Unvereinbarkeitsliste der AfD abzuschaffen, auf deren Grundlage zahlreiche Parteiausschlussverfahren angestrengt wurden. Auf der Liste stehen rund 250 rechtsextreme Parteien und Organisationen. Deren aktive oder ehemalige Mitglieder dürfen nicht in die AfD aufgenommen werden. Die Abschaffung der Unvereinbarkeitsliste wurde wiederholt von Vertretern des rechtsnationalen "Flügels" um den Thüringer Landeschef Björn Höcke gefordert.

Dass sich erneut eine ganz eigene Parteitagsdynamik entwickeln könnte, in dessen Verlauf auch Flügel-Leute um Björn Höcke nach einem der Vorsitzposten greifen, ist daher nicht ausgeschlossen.

Ausgeschlossenen ist auch nicht, dass Alexander Gauland dann doch wieder für den Vorsitz kandidiert.

(ts/afp/dpa)

Mehr zur AfD:

"Markus Lanz": ZDF-Moderator lässt Grünen-Chef Nouripour auflaufen

Der Plan der Regierung, bis 2030 mindestens 15 Millionen E-Autos auf deutschen Straßen fahren zu lassen, wackelt. Im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP hieß es: "Rahmenbedingungen und Fördermaßnahmen werden wir darauf ausrichten, dass Deutschland Leitmarkt für Elektromobilität mit mindestens 15 Millionen Elektro-Pkw im Jahr 2030 ist." Mit der Förderung allerdings ist es seit diesem Jahr aus.

Zur Story