Deutschland
Politik

Ein Wochenende in Ostritz: Bilanz eines Nazifestivals

Ostritz Montage
Bild: imago/dpa Montage
Politik

Ein Wochenende in Ostritz – das ist die Bilanz des Nazifestivals

22.04.2018, 17:1225.05.2018, 16:47
Mehr «Deutschland»

Eine gesperrte Innenstadt und Männer mit "I love HTLR"-Shirts – im 2300-Einwohner Städtchen Ostritz herrschte am Wochenende Ausnahmezustand. Schuld daran? Das  Neonazifestival "Schild und Schwert".

1200 Menschen aus dem rechten Spektrum trafen sich hier pünktlich zu Adolf Hitlers Geburtstag, um rechtsradikaler Musik und NPD-Rednern zuzuhören. 

Gleichzeitig kamen hunderte Gegendemonstranten in die Stadt, um ein Zeichen gegen Rechts zu setzen.

Die Polizei Sachsen fasste am Sonntag zusammen, dass die Lage "an allen Tagen friedlich und ohne nennenswerte Störungen blieb". Doch das ist nur eine von mehreren Perspektiven, wir haben bei der Polizei, aber auch bei Beobachtern vor Ort nachgefragt:

Was die Polizei beschäftigte

Um die Situation unter Kontrolle zu behalten, erhielt die Polizei Sachsen Unterstützung von Kollegen aus Thüringen, Berlin und Baden-Württemberg, sowie der Bundespolizei.

Sogar Beamte aus Tschechien und Polen waren dabei (Ostritz liegt an diesen Ländergrenzen). Allein am Samstag waren insgesamt 1.900 Polizisten im Einsatz, sagte Polizeisprecherin Madeleine Urban gegenüber watson.de.

Die Polizisten überwachten den Bahnhof, die Innenstadt und das Festivalgelände, auf dem kein Alkohol getrunken werden durfte. Ärger gab es trotzdem: Alle im Folgenden angeführten Straftaten und Vorkommnisse wurden von der Polizei Sachsen gemeldet. In Fällen des tätlichen Übergriffes ermittelt die Kriminalpolizei. 

Das Wochenende in Ostritz

1 / 16
Das Wochenende in Ostritz
"Schild und Schwert"-Besucher tauchen am Freitag in Ostritz auf. Auf einem ihrer Pullis steht: "Eines Tages werden sie sich wünschen, wir würden nur Musik machen."
quelle: imago stock&people / lausitznews.de/toni lehder
Auf Facebook teilenAuf X teilen
  • Freitagnachmittag: Bei der Ankunft der Festival-Besucher stellen die Polizisten fünf Pfeffersprays, sechs Messer sowie Cannabis sicher. Die Beamten stellen außerdem drei Fälle des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen sowie drei Verstöße gegen das Versammlungsgesetz fest.
  • Freitag 18 Uhr: Es kommt zu einem Handgemenge zwischen einem 27-jährigen Kameramann und einer 40-jährigen Festivalbesucherin – das Mikrofon der Kamera wird beschädigt.
  • Freitagnacht: Ein 31-Jähriger zeigt den Hitlergruß auf der Straße.
  • Freitagnacht: Zwei Personen des linken Spektrums verletzen einen 35-Jährigen aus dem rechten Spektrum leicht.
  • Samstag 7.40 Uhr: Die Polizei bemerkt einen 31-Jährigen mit verbotenem Keltenkreuz-Tattoo und leitet ein Strafverfahren ein. 
  • Samstag 9 Uhr: Eine 49-Jährige trägt ein verbotenes Keltenkreuz-T-Shirt und wird ebenfalls angezeigt.
  • Samstag 12.45 Uhr: Ein 29-Jähriger zeigt den Hitlergruß aus seinem Fahrzeug. 
  • Samstagmittag: Beamten beschlagnahmen 19 T-Shirts der "Schild und Schwert"-Ordner sowie zwei Banner auf dem Festivalgelände. Sie waren mit gekreuzten Stabhandgranaten (Symbol der Waffen-SS) bedruckt.
  • Samstag 17 Uhr: Bei einer tätlichen Auseinandersetzung wird ein 29-jähriger Festivalteilnehmer von Unbekannt geschlagen.
  • Samstagabend: Beamte beschlagnahmen eine geringe Menge Betäubungsmittel bei einem 22-Jährigen.
  • Samstagabend: Sechs Festival-Teilnehmer zeigen den Hitlergruß im Umfeld des Hotels Neisseblick.
  • Samstagnacht: Ein 38-Jähriger wird mit einem Rettungswagen zuerst ins Krankenhaus, dann zur Polizei gebracht, weil er einen desorientierten Eindruck macht.

Die Polizei habe von Freitagmorgen bis Sonntagmittag mehr als 70 Straftaten und sieben Ordnungswidrigkeiten registriert. Überwiegend handelte es sich dabei um ein Verwenden verfassungsfeindlicher Symbole.

"Insgesamt war das Wochenende aber verhältnismäßig friedlich", so die Pressestelle zu watson. Das Einsatzkonzept sei aufgegangen. Dieser Meinung waren nicht alle.

Was Leute vor Ort meldeten

#Rechtsrocktnicht

Die Initiative "Rechts rockt nicht" wurde von Einzelpersonen aus Zittau-Görlitz, Sachsen und Brandenburg gegründet, nachdem bekannt wurde, dass ein Nazi-Festival geplant ist. "Das wollten wir nicht kommentarlos geschehen lassen", so die Pressesprecherin Sascha Elser zu watson.

Die Veranstalter kritisieren die Polizeiarbeit in Ostritz heftig: "Das Alkoholverbot wurde erst am Samstag für das gesamte Festivalgelände umgesetzt, vorher galt es nur für den ,Bereich der politischen Versammlung', wo die Reden gehalten wurden – und war damit faktisch ausgehebelt."

Außerdem wären stark alkoholisierte Personen auf das "Schild und Schwert"-Gelände gelassen worden, obwohl die Auflagen des Festivals das verboten hätten.

"Die Behörden haben sich immer erst durch Druck der Öffentlichkeit bewegt."
Sascha Elsner zu watson.de

Am Samstagabend hätten dann sowohl auf der Bühne, als auch im Publikum mehrere Menschen "Sieg Heil" gerufen. Elsner zu watson: "Nach unserem Kenntnisstand ist die Polizei deshalb aber nicht eingeschritten. Wir können nicht verstehen, warum den Nazis soviel Freiraum geboten wird."

#OstritzInside

Als "OstritzInside" schleuste sich eine Gruppe der Antifa auf das Festival und twitterte von dort. Sie kooperierten mit "Rechts rockt nicht".

#JüdischesForum

Das Jüdische Forum ist ein gemeinnütziger Verein, der sich seit 2012 gegen Antisemitismus engagiert, indem die Mitglieder aktuelle Geschehnisse beobachten. Auch sie waren vor Ort:

Wie der Gegenprotest aussah

Friedensfest

Bild
Bild: ZB

Am Wochenende trafen sich laut Veranstalter bis zu 3.000 Menschen zum Friedensfest in Ostritz, um ein Zeichen gegen Rechts zu setzen. Der Schirmherr der Veranstaltung war Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU).

Am Freitagabend bildeten Teilnehmer des Festes eine Lichterkette auf dem Rathausplatz. Samstag aßen und tranken die Menschen in einem großen Festzelt und schickten gemeinsam Luftballons in den Himmel.

Fahrradkorso

Zwei Protest-Fahrradtouren setzten sich am Samstag um 10 Uhr in Bewegung. Sie starteten in Görlitz und Zittau, um von da aus nach Ostritz zu radeln, wo sie sich auf dem Marktplatz gegen 13 Uhr begegneten. Organisiert war der Korso unter anderem vom Deutschen Gewerkschaftsbund Ostsachsen. 

Markus Schlimbach, Vorsitzender des DGB Sachsen, sagte: "Neonazis versuchen immer wieder sich in der Lausitz breit zu machen. Durch Wegschauen und Ignorieren lassen sich die Neonazis nicht stoppen."

"Nur das entschiedene Gegenübertreten der Zivilgesellschaft kann den Neonazis Grenzen aufzeigen."
Markus Schlimbach, DGB Sachsen

Rechts rockt nicht

Die Initiative "Rechts rockt nicht" bot als Gegengewicht zum Nazi-Festival ein alternatives Line-Up mit Musikern, wie zum Beispiel Sebastian Krumbiegel von den "Prinzen". 

Zu den Konzerten kamen am Freitag 250 Personen, am Samstag über den Tag verteilt etwa 1000 Personen, so die Sprecherin der Initiative auf watson-Anfrage.

Erschwerte Medienarbeit

Die Arbeit der Medienvertreter vor Ort war erschwert, da Pressevertreter samstags auf dem "Schild und Schwert"-Gelände nur in einem abgesperrten Bereich bleiben sollten.

Der MRD berichtet darüber auf seinem Ticker:

"Medienvertreter in Ostritz können das Neonazi-Festival heute nur aus der Entfernung verfolgen. Die Polizei sperrte den Bereich vor dem Eingang zum Gelände ab und richtete einen abgetrennten Pressebereich ein. Ein Sprecher begründete dies mit Sicherheitsbedenken. Der Platz werde für Kontrollen bei den Besuchern benötigt. Zudem könne bei einer Eskalation der Lage die Sicherheit der Journalisten nicht gewährleistet werden."

Auch die Leipziger Volkszeitung schilderte Probleme: "Die Pressekonferenz fand im direkten Eingangsbereich statt. Ordner verhinderten, dass die Journalisten weiter auf das Gelände gelangten."

Auf Twitter vermuteten einige Beobachter, dass mit dem abgesperrten Pressebereich die freie Berichterstattung behindert werden sollte. Die Polizei widersprach.

Mutmaßliche Spion-Festnahme: CDU-Politiker Kiesewetter warnt vor Naivität gegenüber Russland

Spionage – es ist wohl eines der Felder, in denen sich Kreml-Chef Wladimir Putin besonders gut auskennt. Er selbst arbeitete Jahre lang für den sowjetischen Geheimdienst. Auch jetzt, an der Spitze des Landes, weiß er, die Macht des Abhörens und Ausspähens für sich zu nutzen. Sogar in Deutschland, wie Expert:innen warnen.

Zur Story