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Thüringen: Die Chronologie der Mohring-Misere – "Mike Mohring nicht mehr haltbar"

Der Chef der Thüringer CDU, Mike Mohring, hat seine Haltung zu Koalitionsfragen immer wieder modifiziert.
Der Chef der Thüringer CDU, Mike Mohring, hat seine Haltung zu Koalitionsfragen immer wieder modifiziert.Bild: picture alliance/dpa
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Thüringen: Was will die CDU? Die Chronologie der Mohring-Misere

07.02.2020, 14:28
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Thüringen hat am Mittwoch ein politisches Erdbeben erlebt. Der bis dato amtierende Ministerpräsident Bodo Ramelow war im dritten und entscheidenden Wahlgang Thomas Kemmerich von der FDP unterlegen. Der hatte sich am Mittwoch mit den Stimmen von FDP, CDU und AfD zum Nachfolger wählen lassen.

Einen Tag später teilte Kemmerich dann mit, dass er zurücktreten werde. Außerdem will die Erfurter FDP-Fraktion den Landtag auflösen lassen, um den Weg für Neuwahlen in Thüringen freizumachen.

Doch während alle Augen sich auf die FDP richteten, blieb eine andere Frage offen: Welche Rolle hat eigentlich die Thüringer CDU in diesem Vorgang gespielt? Schließlich musste auch den Abgeordneten ihrer Fraktion klar gewesen sein, dass sie gemeinsam mit der AfD den Ministerpräsidenten wählen würden – allen voran ihrem Vorsitzenden, Mike Morhing.

Mohring wurde in den vergangenen Tagen heftig kritisiert, auch aus der Spitze seiner eigenen Partei. "Ich glaube nicht, dass Mike Mohring noch haltbar ist", sagt Politikwissenschaftler Oskar Niedermayer nach dem Kemmerich-Rücktritt zu watson. Inzwischen gibt es Berichte, dass Mohring abtreten und seinen Posten im Mai aufgeben soll.

"Es ist nicht das erste Mal, dass Mohring einen Kurs fährt, der an verschiedenen Stellen in der CDU aneckt. Wenn man erst mit den Linken koalieren, sie dann partiell dulden will und am Ende sehenden Auges in dieses FDP-AfD-Schlamassel steuert, ist man als Parteichef nicht geeignet."
Oskar Niedermayer

Mohring hat seit der Wahl im Oktober tatsächlich einen geradezu abenteuerlichen Zick-Zack-Kurs hingelegt. Immer wieder hat er öffentlich mit seiner Haltung zu einer möglichen Zusammenarbeit mit der Links-Partei gerungen. Zur AfD hielt er sich dagegen meistens bedeckt.

Eine Chronologie der öffentlich geäußerten Positionen von Mike Mohring, inklusive aller Wendemanöver.

23. Oktober 2019

Wahlkampf in Erfurt: "Höcke ist ein Nazi!"

Erstaunlich deutliche Worte findet Mohring kurz vor der Landtagswahl in Thüringen. "Ich finde, Höcke ist ein Nazi", sagt er bei einem Wahlforum in Erfurt.

"Ich habe nichts mit diesen Drecksnazis gemeinsam, die gehen mir auf den Sack."

Damit reagierte Mohring wohl auch auf Kritik an seinem Landesverband, in dem es durchaus Mitglieder gibt, die sich eine Zusammenarbeit mit der AfD vorstellen könnten. Mohring gehört anscheinend nicht dazu – jedenfalls sagt er das deutlich.

Dabei wollte er sich 2014 noch von der Rechtsaußen-Fraktion zum Ministerpräsidenten wählen lassen. Das hatte der "Spiegel" berichtet. Sein Draht zur AfD sei "gut", soll Mohring damals gesagt haben. AfD-Fraktionschef Björn Höcke bestätigte demnach "ein Treffen und danach regelmäßige Telefonate". Letztlich wurde aus den Plänen aber nichts.

27. Oktober 2019

Pressekonferenz am Wahlabend: "Verantwortungsvoll mit Situation umgehen"

Am Wahlabend belässt es Mohring noch bei einer recht allgemein gehaltenen Aussage. Es sei ein bitteres Ergebnis für die "demokratische Mitte" in Thüringen, sagt er mit Blick auf das schlechte Abschneiden der CDU.

"Unser Land ist in einer schwierigen Situation. Wir werden verantwortungsvoll damit umgehen."

Noch am Wahlabend wird spekuliert, ob damit auch eine wie auch immer geartete Zusammenarbeit mit der Linken gemeint sein könnte.

28. Oktober 2019

Morgens: "Stabile Verhältnisse wichtiger als Parteipolitik"

Jetzt wird Mohring plötzlich deutlich. Ob sich die CDU aufgrund der schwierigen Verhältnisse eine Regierung mit den Linken vorstellen könnten, wird er im "Morgenmagazin" der ARD gefragt.

"Wir sind bereit für so eine Verantwortung, müssen zunächst ausloten, was heißt das für Thüringen. Mir sind stabile Verhältnisse wichtiger für das Land, als dass es nur um parteipolitische Interessen geht."

Damit wagt er sich schon sehr weit vor – doch lange bleibt er nicht dabei.

Vormittags: "Beschlusslage der CDU gilt"

Nur wenige Stunden später, am Vormittag auf der Pressekonferenz mit CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer, muss Mohring wieder zurückrudern: "Es gibt eine Beschlusslage der CDU Deutschland und die gilt zunächst für alle", sagt er nun. Damit meint er den Beschluss der CDU, mit AfD und Linke keine Koalitionen zu bilden.

Na gut, dann eben nicht. Mike Mohring muss zurückrudern.
Na gut, dann eben nicht. Mike Mohring muss zurückrudern.Bild: Reuters

Abends: "Keine Unterstützung der CDU für Rot-Rot-Grün"

Am Abend dieses abwechslungsreichen Tages wird Mohring noch deutlicher. "Ich kann mir keine Situation vorstellen, dass die abgewählte rot-rot-grüne Landesregierung durch die Unterstützung der CDU in eine neue Regierungsverantwortung gehoben wird. Das schließt sich aus." Gespräche mit dem noch amtierenden Ministerpräsidenten Bodo Ramelow, die dieser angeboten hat, lehnt er nicht ab, stellt aber klar:

"Wir wollen der Einladung des Ministerpräsidenten aus staatspolitischer Verantwortung nachkommen – nicht mehr und nicht weniger."

6. Januar 2020

Projektregierung mit Linken: Mohring gesprächsbereit

Kurz nach Neujahr kommt wieder Bewegung in die Sache. Die Thüringer CDU und die Linke reagieren positiv auf die Idee einer gemeinsamen "Projektregierung", berichtet der MDR. Mohring sagt dem Sender, er halte diesen Vorschlag von Ex-Ministerpräsident Dieter Althaus für "diskussionswürdig". Das gelte auch für den Gedanken, den ehemaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck als Mittler zwischen beiden Parteien einzuschalten.

12. Januar 2020

Treffen mit Ramelow und Gauck: Offen für Zusammenarbeit in Einzelfällen

Es kommt zu dem Treffen von Ramelow und Mohring. Danach zeigt sich Mohring offen für eine Zusammenarbeit in Einzelfällen. "Auf Einladung von Bundespräsident a.D. Joachim Gauck haben wir heute über die Herausforderungen in unserem Land gesprochen. Ich fände es richtig, wenn der Ministerpräsident zu Gesprächen über wichtige Projekte einlädt, die für Thüringen wichtig sind", schreibt Mohring auf Twitter.

Dem "Tagesspiegel" sagt er, es gebe die Chance, auf der Basis der Idee von Althaus ein "Thüringer Modell" zu entwickeln, "das ausschließlich auf die Situation im Freistaat bezogen ist". Die CDU sehe dabei das Parlament gestärkt, "weil dort künftig die Aushandlungsprozesse stattfinden". Bei den Sachdebatten müssten die Unterschiedlichkeiten betont werden, die Dinge dürften nicht eingeebnet werden. Sowohl CDU als auch FDP wollten "konstruktiv, unvoreingenommen und gesprächsfähig sein".

Könnte doch was werden: Ramelow (l.) und Mohring.
Könnte doch was werden: Ramelow (l.) und Mohring.Bild: picture alliance/Martin Schutt/dpa-Zentralbild/dpa

17. Januar 2020

Offen für Linke, aber auch AfD

Gegenüber watson bekräftigt Mohring seine Bereitschaft zur punktuellen Zusammenarbeit mit der Linken. Dies sei aber nicht gleichzusetzen mit einer Unterstützung für Rot-Rot-Grün. "Dafür gibt es keinen Blankoscheck. Wir werden eigene Anträge und Gesetze zu diesen Themen vorlegen und Vorschläge anderer Fraktionen dazu im parlamentarischen Verfahren beraten und beschließen und nicht fundamental ablehnen."

Auf die Frage, ob die Fokussierung der CDU auf Handlungsfähigkeit und die projekt- und themenbezogene Zusammenarbeit auch mit Blick auf die AfD gelte, folgt zumindest kein eindeutiges Dementi von Mohring. Der thüringische CDU-Chef teilt watson mit, es sei zunächst ein Gewinn für die Demokratie, dass sich im thüringischen Parlament von Fall zu Fall thematische Mehrheiten im Parlament finden würden. Und betont: "Ein Teil unserer Arbeit im Landtag wird es sein, alle parlamentarischen Möglichkeiten zu nutzen, um den in unserem Wahlprogramm beschriebenen Markenkern umzusetzen." Betonung auf 'alle'.

Und weiter:

"Welche anderen Fraktionen unsere Initiativen im Zuge des parlamentarischen Aushandlungsprozesses letztlich für zustimmungsfähig erachten, liegt nicht in unserer Hand."

29. Januar 2020

"Zeitlich begrenzte Sondersituation"

Angesprochen auf den CDU-Beschluss, der eine Zusammenarbeit mit der Linken ausschließt, erklärt Mohring gegenüber der "Rheinischen Post", dieser Beschluss sei vor der Landtagswahl getroffen worden: "Damals war er richtig und das ist er im Grunde auch heute. Dennoch hat sich die Lage verändert. Wir haben in Thüringen eine zeitlich begrenzte Sondersituation."

Mohring ist also weiter bereit zur Zusammenarbeit, doch Ramelow zeigt plötzlich kein Interesse mehr. Er entscheidet sich, sich Anfang Februar der Wahl zum Ministerpräsidenten zu stellen. Er hofft darauf, mit den Stimmen von SPD, Grünen und Linken im dritten Wahlgang mit einfacher Mehrheit gewählt zu werden.

4. Februar 2020

"Klug handeln und das Ende bedenken"

Am Vorabend der Ministerpräsidentenwahl, bei der der FDP-Kandidat Kemmerlich mit den Stimmen von CDU, AfD und FDP gewählt wird, besucht der ehemalige Ministerpräsident Bernhard Vogel den Landtag. Anlässlich dessen zitiert Mohring auf Twitter ein spätmittelalterliches Sprichwort: "Was auch immer du tust, tue es klug und bedenke das Ende." Am nächsten Tag folgt der Eklat – danach war von Mohring öffentlich zunächst wenig zu hören.

6. Februar 2020

Rückzug konsequent, aber keine Neuwahlen

Nach der Wahl Kemmerichs schweigt Mohring. Erst nach dessen angekündigtem Rückzug äußert er sich schließlich – und hinterlässt viele Fragezeichen. Dabei lobt er den Rücktritt als "konsequent". Neuwahlen lehnt er jedoch ab. Der Landtag solle einen Nachfolger ins Amt wählen, erklärt Mohring auf Twitter – ohne zu verraten, wer dieser Nachfolger sein könnte. Einem Bericht der "Thüringer Allgemeine" zufolge will die CDU über ein Comeback von Ramelow sprechen.

Mohring jedenfalls löschte die Tweets später wieder. Mehrere Medien berichten, sein Rückzug sei beschlossene Sache. Demnach habe er in der Nacht in einer Krisensitzung zugestimmt, im Mai abzutreten. Es sei deutlich geworden, dass er keinen ausreichenden Rückhalt mehr in der Fraktion genieße. Vorsitzender des Landesverbandes soll Mohring dem MDR zufolge offenbar bleiben.

Christian Lindner: Ist die One-Man-Show FDP koalitionsunfähig?

"Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren." Dieser Satz hängt dem heutigen Bundesfinanzminister und Parteichef der Freien Demokraten (FDP), Christian Lindner, immer noch nach. 2017 brach er mit den Worten krachend die Sondierungsgespräche für eine Jamaika-Koalition aus Union, FDP und Grünen ab.

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