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Alice Schwarzer zu "Lanz": "Wollen Sie allen Ernstes so einen Quatsch verbreiten?"

Alice Schwarzer gerät mit Moderator Markus Lanz aneinander.
Alice Schwarzer gerät mit Moderator Markus Lanz aneinander. ZDF/Screenshot
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Alice Schwarzer zu Markus Lanz: "Wollen Sie allen Ernstes so einen Quatsch verbreiten?"

13.11.2020, 15:38
Deana Mrkaja
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Erst kürzlich soll sich Alice Schwarzer darüber beschwert haben, dass in deutschen Talkshow zu wenig gestritten würde. Das hat sie nun selbst widerlegt, indem sie am Donnerstagabend mit Markus Lanz aneinandergeriet. Wer bestimmt das Bild von Frauen? Da lauschten auch die im Studio anwesenden Virologen gespannt.

Vor wenigen Wochen war die Journalistin und Herausgeberin der Frauenzeitschrift "Emma" schon einmal zu Gast bei "Markus Lanz". Bereits damals wollte der Moderator mit ihr über den zweiten Teil ihrer Memoiren sprechen. Doch damals kam ihnen Friedrich Merz dazwischen, den sie prompt zur "Speerspitze des Feminismus" erklärten, nachdem dieser geäußert hatte, er könne sich für die CDU auch einen weibliche Generalsekretärin vorstellen.

"Ich war nur so nett zu Merz, weil Sie ihn so garstig behandelt haben", sagt Schwarzer am Donnerstagabend zu Lanz. Sie hätte ihn eigentlich gerne darauf angesprochen, dass er sich in den 70er Jahren dagegen ausgesprochen hat, Vergewaltigungen in der Ehe als Strafbestand ansehen zu können. Doch auch heute kommen der Moderator und die Feministin nicht dazu, wirklich über ihr Buch zu sprechen, da sie mehrmals aneinandergeraten.

Zu Gast im Studio bei "Markus Lanz" (v.l.n.r.): Alice Schwarzer, Julian Nida-Rümelin und Prof. Dirk Brockmann.
Zu Gast im Studio bei "Markus Lanz" (v.l.n.r.): Alice Schwarzer, Julian Nida-Rümelin und Prof. Dirk Brockmann. ZDF/Screenshot

Zunächst fragt der Lanz, was der schlimmste Kraftausdruck gewesen sei, der Schwarzer gegenüber geäußert wurde. "Ganz übel fand ich, dass über Jahrzehnte hinweg gesagt wurde, ich wäre ein schlimmerer Chef als ein Mann." Sie kritisiert daran, dass niemals jemand eine ihrer Mitarbeiterinnen in der Redaktion gefragt habe. "Man wird damit in seiner Integrität verletzt. Solche Sachen sind schwierig."

Im Anschluss rekapituliert die 77-Jährige einen Streit, den sie vor langer Zeit vor der Kamera mit Verona Pooth ausgefochten hat. "Mir ging es damals nicht um sie als Menschen, sondern um sie als künstliches Werbeprodukt", erklärt Schwarzer. Diese Künstlichkeit habe zu Essstörungen und Schönheits-OPs geführt. Ihrer Meinung nach habe sich der Druck auf Frauen heute sogar noch vergrößert. "Warum?", will Markus Lanz wissen. Und dann kommt es zur Auseinandersetzung.

Bei "tiefgreifenden gesellschaftlichen Veränderungen" - wie es der Feminismus ist - würde es "im besten Fall, immer zwei Schritte nach vorne und einen zurück gehen", erklärt sie. "Wir leben in Zeiten des Umbruchs. Die sind spannend, aber auch gefährlich. Und das spielt sich wieder auf dem Körper der Frau ab." "Das kann ich so nicht stehen lassen", setzt Lanz verärgert an. Er wagt zu sagen, dass Frauen sich heute "den ganzen Körper botoxen" ließen. "Wer macht die Spielregeln, die Gesetze?", fragt er provokant nach.

"Nicht so aufgeregt, Herr Lanz", sagt Schwarzer. Die Journalistin sieht die Medien und die Kultur in der Schuld. "Von wem werden denn die Bilder geschaffen?", fragt Lanz erneut nach. "Wenn sie möchten, können wir streiten", kontert Schwarzer.

"Sie leben doch nicht im luftleeren Raum", geht Schwarzer den Moderator an und will ihm erklären, dass er auch gewissen Moden verfallen wäre. Früher hätte der Körper von Marilyn Monroe als "sexy und hocherotisch" gegolten, heute würden solchen Körper als "dick" bezeichnet.

"Nehmen wir 'Germany's Next Topmodel' - Heidi Klum ist doch kein Mann. Was zur Hölle hat das damit zu tun?", fragt Lanz erneut provozierend nach. "Aber bitte Herr Lanz, die Medien transportieren doch diese Bilder", geht die Diskussion weiter. "Sind es nicht vor allem Frauen, die andere Frauen unter Druck setzen?", fragt er. Und dann kann sich Schwarzer nicht mehr halten.

"Wollen Sie allen Ernstes so einen Quatsch verbreiten?"
Alice Schwarzer

Sie gibt ihm zwar recht, dass Frauen sich gegenseitig häufiger sagten, dass sie abnehmen sollten, als das von Männern verlangt würde, jedoch lebten wir immer noch in einem Patriarchat, wo gewisse Strukturen angelernt seien. "Wenn eine Freundin einer anderen sagt, dass sie abnehmen muss, dann können Sie das nicht aufs Patriarchat schieben", entgegnet Lanz. "Aber sie ist doch indoktriniert und beeinflusst. Wir leben in einer Welt, in der das männliche Bild vorherrscht." 4000 Jahre Männerherrschaft könnten nicht durch 40 Jahre Feminismus zerstört werden.

"Ich kann Ihnen was sagen, Herr Lanz. Frauen werden für das Gleiche immer noch anders beurteilt als Männer."
Alice Schwarzer

Die beiden Streithähne werden sich am Ende nicht einig. "Sie haben sich ja beschwert, dass in Talkshows so wenig gestritten wird", sagt Lanz zu Schwarzer. So einfach würde sie es sich nicht machen, entgegnet sie und erklärt, in vielen Shows gäbe es Absprachen. Natürlich nicht bei "Lanz", sagt sie mit einem Zwinkern. Der Moderator sagt, dass er sie nun erneut einladen müsse, um über das Buch zu reden und auch zu streiten. "Ja, dann müssen Sie das Buch auch lesen, damit wir auf einem gewissen Level diskutieren müssen", schiebt die 77-Jährige noch nach. "Ich nehme das jetzt gelassen. Wie ein Mann", erklärt Lanz.

Markus Söder will keine Lockerungen versprechen

Neben den beiden Virologen Prof. Dirk Brockmann und Julian Nida-Rümelin ist an diesem Abend auch der Bayerische Ministerpräsident Markus Söder im Studio zugeschaltet. Am kommenden Montag soll eine neue Ministerpräsidenten-Konferenz gemeinsam mit Bundeskanzlerin Angela Merkel stattfinden. "Es ist wie befürchtet: Die Infektionszahlen steigen weiter an, die Todesfälle steigen an, die Krankenhausbetter werden voller", sagt Söder in der Sendung.

Zugeschaltet im Studio: Markus Söder (m.).
Zugeschaltet im Studio: Markus Söder (m.).ZDF/Screenshot

"Wir haben davor gewarnt, dass Leichtsinn sich auswirkt und so ist es jetzt gekommen", sagt Söder. Seiner Meinung nach hätte man national schon zwei Wochen früher reagieren müssen als nun mit dem Lockdown. Zwar seien die Impfstoffe eine "hoffnungsvolle Entwicklung", trotzdem glaubt er, dass man lernen müsse, längerfristig mit dem Virus umzugehen. "Ich bin nicht pessimistisch. Ich bin nur ehrlich. Wir haben in ganz Europa die gleiche Entwicklung. Da bringt es nichts, die Dinge schönzureden, man muss handeln."

Man würde zwar hoffen, dass die Infektionskurve flacher würde, jedoch wisse man nicht, ob es reichen wird. Söder hat zu möglichen Lockerungen eine strikte Meinung:

"Für Lockerungen gibt es überhaupt keinen Anlass."
Markus Söder

Der Ministerpräsident fordert ein "nationalen, kluges, durchdachtes Konzept", an das sich auch alle einheitlich halten sollen. Auf eine interessante Entwicklung macht auch Julian Nida-Rümelin aufmerksam. Er zeigt auf, dass der R-Faktor im Frühjahr bereits nach unten ging, bevor der Lockdown damals eingeführt wurde. Daraus könnte man schließen, dass das Verhalten von Menschen größere Auswirkungen haben könnte als die Maßnahmen. Natürlich seien damals auch Bilder aus Italien und Spanien in Deutschland eingetroffen, die zum Verhalten der Menschen hier geführt hätten. Obwohl diese Länder einen extrem harten Lockdown gehabt hätten, hätten sie ähnlich hohe Todeszahlen wie die USA oder Brasilien. Es handele sich um ein "hochkomplexes Geschehen", sagt der Experte.

Philosoph Julian Nida-Rümelin (l.) und Physiker Prof. Dirk Brockmann (r.).
Philosoph Julian Nida-Rümelin (l.) und Physiker Prof. Dirk Brockmann (r.).ZDF/Screenshot

Nida-Rümelin beschreibt auch die Sterblichkeitsrate von Altersgruppen und sagt, dass Ältere ein über 7000 Mal höheres Risiko besitzen als junge Menschen unter 35. "Da kann man nicht sagen, alle sind gleich betroffen", sagt der Philosoph. Er plädiert deshalb dafür, vor allem die über 70-Jährigen "effektiv zu schützen" und er fügt hinzu, dass die "Ökonomie nicht von den über 70-Jährigen über Wasser gehalten" würde und die "Gesellschaft vital bleiben" müsse. Zwar stimmt ihm der Physiker Prof. Dirk Brockmann zu, jedoch warnt er auch vor den Langzeitschäden, die eine Corona-Infektion nach sich ziehen könnte und die bisher zu wenig erforscht seien. "Wir wissen noch nicht, was passieren könnte. Es ist komplexer", sagt der Experte am Ende des Gesprächs dazu.

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