Es war keine neue Frage, die Moderatorin Anne Will am Sonntagabend mit ihren Gästen diskutierte: "Zusammenhalt gesucht – schaffen Union und SPD das noch?" In Berlin tagte zuvor der Koalitionsausschuss und im Studio saßen Familienministerin Franziska Giffey von der SPD und der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier von der CDU.
Keine neue Frage also, und auch keine neuen Antworten zunächst. Volker Bouffier wurstete sich mit der Aneinanderreihung von Schlagwörtern und Phrasen durch die Sendung ("Wir als Union stehen zu dieser Koalition" oder "Wir tun eine ganze Menge"), Giffey wollte nicht beantworten, ob sie die nächste SPD-Chefin werden wolle ("Ich werde heute Abend keine Aussage zu dieser Frage treffen").
Doch es war dann eine Antwort von Volker Bouffier, die tief blicken ließ: Der CDU-Politiker redete die Ernsthaftigkeit der gärenden Unzufriedenheit mit der Großen Koalition klein.
Nach einer Debatte über Mieten (Giffey sprach sich für den Mietendeckel in Berlin aus, Bouffier lehnte ein solches Instrument strikt ab) kam die Diskussion auf die Klimapolitik.
Der Politikwissenschaftler Albrecht von Lucke betonte nach all den Detailfragen, die zuvor verhandelt wurden: Er glaube nicht, dass sich die GroKo noch zu einem Kraftakt aufraffen können wird.
Er hatte auch ein Beispiel parat, wie das aussehen könnte: die CO2-Steuer. Für dieses klimapolitische Instrument sind die FDP, die Grünen und auch die SPD.
Lucke erklärte das Schweizer Modell. Die dortige CO2-Abgabe bringt kein Geld in die Staatskasse. Vielmehr wird sie wieder an Unternehmen und Verbraucher ausgeschüttet, etwa über die Krankenversicherung. Er frage sich, warum sich die CDU gegen dieses Instrument sträube, betonte Lucke.
Und zählte zunächst die Punkte des Koalitionsvertrages auf, die er umsetzen wolle. Der Abbau des Solidaritätszuschlags für 90 Prozent der Soli-Zahler, die Grundrente mit einer Bedürftigkeitsprüfung. Dann kritisierte er Luckes Vorschlag und das Schweizer Modell einer CO2-Abage. In Deutschland werde das nicht funktionieren, weil es keine einheitliche Krankenversicherung gebe.
"Dann nehmen Sie einen anderen Umverteilungsmechanismus", warf ihm Lucke entgegen. Bouffier widersprach: "Es geht mir darum: Das ist nicht so simpel."
In der Klimapolitik sei es geboten, "dass wir eine kluge Maßnahme entwickeln. Und das sind viele, viele Stellschrauben".
Dann folgten die entscheidenden, etwas entlarvenden Sätze von Bouffier:
"Wenn ich Demonstranten sehe, die sagen: Tut was. Das nehme ich sehr ernst. Aber ich sage Ihnen, wir tun schon eine ganze Menge. Die ganze Zeit. Ich bin bereit darüber zu sprechen, dass wir mehr tun müssen."
Auf diesen Satz nahm der Volkswirt und Chef des ifo-Instituts Clemens Fuest Bezug und brachte Luckes Kritik noch einmal auf den Punkt: "Herr Bouffier, Sie haben gesagt, Sie müssten mehr machen. Es ist viel gemacht worden, Sie haben Recht. Sie müssen aber nicht mehr machen, Sie müssen was anders machen."
Bouffier wollte mit seinem Mantra "Wir tun eine ganze Menge" – der Satz fiel mindestens drei Mal – beschwichtigen. Und es stimmt ja auch: Die Neuauflage der GroKo, seit einem Jahr im Amt, hat viel geschafft. Laut dem Koalitionstracker der "Süddeutschen Zeitung" hat die Koalition bereits 31 Vorhaben umgesetzt, zehn sind teilweise umgesetzt worden. Im Bereich Umwelt aber wurden gerade einmal 14 Prozent der Vorhaben im Koalitionsvertrag umgesetzt. Die Klimaziele für 2020 nahm die GroKo gleich gar nicht auf. Eine mutige Klimapolitik sieht anders aus.
Aber hält denn jetzt die GroKo noch? Das immerhin war die Frage der Sendung.
Ein motivierendes Schlusswort fand Franziska Giffey:
(ll)