International
Best of watson

Europawahl im Brexit-Land: 5 Punkte über einen echt absurden Wahlkampf

News Bilder des Tages April 2, 2019 - London, London, UK - London, UK. An anti-Brexit protester opposite Parliament as rain falls over London. Prime Minister Theresa May is chairing a Cabinet meeting  ...
Bild: www.imago-images.de
International

"Zombiewahl" im Brexit-Land: 5 Punkte zum maximal absurden Europa-Wahlkampf

Eigentlich sollte Großbritannien die EU bereits Ende März verlassen. Doch das ist nicht passiert. Jetzt muss das Land an den Europawahlen teilnehmen. Kann das gut gehen?
04.05.2019, 12:0204.05.2019, 13:51
Mehr «International»

Der Slogan klingt mehr nach Fitness-Trainer als nach politischer Agenda: "DON'T GIVE UP", steht auf dem Wahlplakat zur Europawahl der rechten Brexit-Partei. Es klingt wie ein flehendes "Haltet durch".

Denn die Hängepartie namens Brexit zieht sich nun schon seit Monaten. Eigentlich, ja eigentlich, hätten die Briten die EU am 29. März verlassen sollen. Aber weil Premierministerin Theresa May im Unterhaus keine Mehrheit für den Austrittsvertrag mit Brüssel fand, wurde der Brexit erst einmal und dann ein zweites Mal verschoben.

Jetzt haben wir Anfang Mai, Ende des Monats stehen die Europwahlen an – und die Briten müssen daran teilnehmen. Großbritannien muss also Abgeordnete für ein Parlament wählen, in der seine Regierung gar nicht sitzen möchte. Und aus dem die Briten sehr schnell wieder ausziehen müssten, sollte der Brexit doch noch kommen.

Die Situation ist absurd. Wir haben fünf Geschichten gesammelt, die die Absurdität dieses Wahlspektakels auf den Punkt bringen.

Die Tories und die Angst vor der "Zombie-Wahl"

Am wenigsten Lust auf die Wahlen haben wohl die Politiker und Anhänger der Regierungspartei der Tories. "Brexit bedeutet Brexit", gelobte Theresa May stets zu sagen. Brexit heißt jetzt aber erstmal: Kandidaten für Brüssel aufstellen.

Das haben die Tories mittlerweile gemacht. Aber mit dem Rest lassen sie sich Zeit. Einen Wahlkampf-Auftakt der Konservativen gab es noch nicht. (Alle andere Parteien haben dagegen den Auftakt schon hinter sich.)

Die Tories fürchten, dass die Wähler sie nach all dem Chaos abstrafen. Ashley Fox, britischer Tory-Abgeordneter im Europaparlament, geht davon aus, dass seine Partei die Hälfte ihrer 20 Sitze verlieren wird. Auf seiner Webseite warnt er:

"Es könnte noch schlimmer werden, wenn unsere Mitglieder beschließen, dass sie ihre Abende und Wochenenden nicht mit der Unterstützung einer Zombie-Wahl verbringen wollen."

Der Frust auf die Regierung ist in Großbritannien massiv gewachsen. Bei den Kommunalwahlen am Donnerstag verloren die Tories 1335 Sitze im Vergleich zu den Wahlen 2015.

In mehreren Umfragen zur Europawahl zeichnet sich bereits ab: Auch am 23. Mai, wenn die Menschen in Großbritannien abstimmen, werden die Konservativen die Verlierer sein.

Keiner kann sagen, wie lange die Briten in Straßburg bleiben werden...

"Zombie-Wahl". Der Begriff des Konservativen Ashley Fox passt. Denn niemand kann sagen, ob die in Großbritannien gewählten Abgeordneten wirklich ins Europaparlament in Straßburg einziehen. Und wenn doch, wie lange sie dort bleiben werden.

Die Hoffnung der britischen Regierung ist es, den Brexit doch noch vor den Europawahlen am 23. Mai oder vor der ersten Sitzung des neuen Parlaments am 2. Juli durchziehen zu können. Zumindest die erste Deadline werden die Briten nicht mehr schaffen. Zurzeit befindet sich May in Gesprächen über einen Brexit-Kompromiss mit Labour-Chef Jeremy Corbyn. Ein Durchbruch und damit ein schneller EU-Austritt ist dabei nicht in Sicht.

Möglich aber ist, dass der Brexit vor dem 2. Juli oder noch in diesem Jahr kommt. Die aktuelle Frist dafür läuft bis zum 31. Oktober.

Was passiert aber nach dem Brexit mit den gewählten britischen Europa-Abgeordneten?

  • Ursprünglich war geplant, die Anzahl der Abgeordneten im Europaparlament nach dem Brexit von 751 auf 705 zu reduzieren. Derzeit hat Großbritannien 73 Sitze. Die verbliebenen 27 Sitze hätten auf unterrepräsentierte EU-Staaten verteilt werden sollen.
  • Unklar ist, ob das nach dem 23. Mai noch passieren kann. Womöglich würde das Europaparlament mit einem Brexit in der zweiten Jahreshälfte um 73 Sitze schrumpfen und seine Abgeordnetenzahl erst 2024 reduziert werden.

Warum aber für diese Europawahl überhaupt antreten? Oder überhaupt wählen gehen?

Auf diese naheliegenden Fragen müssen die Parteien eine Antwort finden. Die kleineren Parteien in Großbritannien tun sich leichter damit als die Tories oder die Labour-Partei:

  • Die neu gegründete Brexit-Partei um den Rechtspopulisten Nigel Farage (früher UKIP) will für den EU-Austritt kämpfen. Und die Abgeordneten im Europaparlament nerven. Die Wahl am 23. Mai ist für diese Partei eine Art zweites Referendum. Die Brexit-Partei kann auf bis zu 27 Prozent laut der aktuellsten Umfrage hoffen.
  • Die aus Labour- und Tory-Rebellen entstandene Partei Change UK wirbt offen für den Verbleib in der EU und für ein zweites Referendum.

Die großen Parteien tun sich dagegen schwer, ihre Wähler zu mobilisieren.

Einige boykottieren den Wahlkampf

Im Landkreis Derbyshire weigern sich einige konservative Kreisräte, für die Europawahl Wahlkampf zu machen.

Der Konservative Barry Lewis sagte dem britischen "Guardian", er werde keine Haustürwahlkampf organisieren, noch Flyer verteilen.

"Wir hätten nie gedacht, dass wir so etwas jemals tun müssten. Aber hier geht es um Demokratie, und es ist eine Form des Protestes."

Labour weiß nicht, mit welcher Forderung es Wahlkampf machen soll

In einer anderen, aber nicht weniger schwierigen Situation als die Tories, befindet sich die Oppositionspartei Labour. Die Partei versucht seit dem Referendum den schwierigen Spagat, einerseits nicht die Wähler zu verschrecken, die für den Brexit sind, und zugleich dabei nicht die EU-Freunde in Großbritannien zu verlieren.

Derzeit befindet sich Parteichef Corbyn in der absurden Situation, mit den Tories um einen Kompromiss beim Brexit zu ringen, bei den Europawahlen aber eine Alternative zur Regierung darstellen zu müssen.

Wie absurd das Ganze dann enden kann, zeigt der Streit um einen Wahlkampf-Flyler. In einem ersten Entwurf Ende April fehlte darin die Forderung nach einem zweiten Referendum.

Die aber ist mittlerweile Parteiprogramm bei Labour, um einen Brexit nach Maßgabe der Tory-Regierung zu verhindern. Es gab Streit in der Partei.

Von Labour hieß es dann beschwichtigend, es gebe mehrere verschiedene Entwürfe.

Der Streit ist noch nicht ausgestanden. Denn die allgemeine Frage, ob Labour im Europa-Wahlkampf für ein zweites Referendum werben soll oder nicht, ist nicht beantwortet. Erst diese Woche berichtete der britische "Guardian", dass auch zornige Labour-Anhänger mit einem Wahlkampf-Boykott drohen, sollte die Parteiführung ihre Position nicht ändern.

Viel Chaos – und viel Geld

Noch also ist nicht klar, wie intensiv die Parteien in Großbritannien sich ins Wahlkampf-Getümmel stürzen werden.

Sicher aber ist: Wahlkampf kostet. Die britische Wahlkommission hat bereits im vergangenen vorsorglich 829.000 britische Pfund (rund eine Million Euro) zur Seite für die Europawahl 2019 gelegt. Stimmzettel müssen schließlich gedrückt oder versandt werden.

Insgesamt kostete das Abhalten der Europawahl 2014 rund 125 Millionen Euro, die Parteien gaben damals rund 12 Millionen Euro für den Wahlkampf aus.

Sollten sich die Summen 2019 wieder in dieser Dimension abspielen – es wäre ganz schön viel Geld für eine Wahl, die womöglich nicht mehr als eine Durchhalte-Phase bis zum Brexit sein könnte.

So waren die Mega-Proteste in London gegen den Brexit:
1 / 13
So waren die Mega-Proteste in London gegen den Brexit:
Es war einer der größten Protestzüge in London seit Jahren: Etwa 670 000 Menschen haben nach Veranstalterangaben am Samstag in der britischen Hauptstadt gegen den Brexit demonstriert.
quelle: imago stock&people / matrixpictures.co.uk
Auf Facebook teilenAuf X teilen
USA: Trump erwägt umstrittenen Ex-Rodeo-Cowboy für hohes Amt

Der Ex-Präsident Donald Trump ist für seine provokativen Bemerkungen und teils willkürlichen Entscheidungen bekannt. Nun will er wieder ins Weiße Haus. Der 77-Jährige und der Demokrat Joe Biden stehen als Kandidaten fest. Anfang November gehen die US-Präsidentschaftswahlen über die Bühne und schon jetzt sorgt sich Europa vor Trump als möglichen Sieger.

Zur Story