In Beirut protestieren die Menschen am zweiten Tag in Folge gegen Korruption innerhalb der politischen Elite.Bild: imago images / Belga
Politik
10.08.2020, 08:3110.08.2020, 16:51
In einer rasch einberufenen Sitzung des Kabinetts will Regierungschef
Diab im Libanon eine mögliche Neuwahl diskutieren. Viel Zeit hat er
nicht: Zwei seiner Kabinettsmitglieder haben bereits hingeworfen.
Nach erneuten Protesten: Minister legen Ämter nieder
Nach wachsendem Zorn über eine möglicherweise
vermeidbare Explosion mit vielen Toten und Verletzten in Beirut gerät
die Regierung des Libanon immer stärker ins Wanken. Zwei Minister
legten am Sonntag ihre Ämter nieder. Ministerpräsident Hassan Diab
war bemüht, weitere Kabinettsmitglieder vom Rücktritt vor einer für
Montag geplanten Sitzung abzuhalten, wie die Deutsche Presse-Agentur
aus Regierungskreisen erfuhr. Hunderte protestierten am zweiten Tag
in Folge aus Wut über die gewaltige Explosion vor knapp einer Woche.
Stunden nach Informationsministerin Manal Abdel Samad legte am
Sonntag auch Umweltminister Damianos Kattar sein Amt nieder, hieß es
aus Regierungskreisen. Die Regierung des Libanon ist aufgelöst, wenn
mehr als ein Drittel der 30 Kabinettsmitglieder ihr Amt niederlegen.
Das wäre der Fall bei einem Rücktritt von fünf weiteren Ministern.
Diab wollte dem Kabinett in einer Sitzung am Montag vorschlagen,
Neuwahlen abzuhalten. Die nächste Wahl stünde in dem Mittelmeerland
eigentlich erst im Jahr 2022 an.
Libanesen verlieren Vertrauen in politische Elite
Viele Libanesen haben das Vertrauen in die politische Elite nach der
Explosion mit mehr als 150 Toten und über 6000 Verletzten endgültig
verloren. Sie vermuten, dass die Detonation, bei der möglicherweise
große Mengen unsicher gelagerten Ammoniumnitrats explodierten, durch
grobe Fahrlässigkeit verursacht wurde.
Sie klagen auch, dass Wahlen
an den realen Machtverhältnissen in dem konfessionell stark
gespaltenen Land bisher wenig veränderten. Am Sonntag demonstrierten
laut Augenzeugen Hunderte. Einige warfen am Parlamentsgebäude mit
Steinen. Die Sicherheitskräfte setzten Tränengas ein.
Deutschland schickt großes Hilfspaket in den Libanon
Für die Opfer der Explosion, durch die bis zu 300.000 Menschen
obdachlos wurden, wurden wichtige Hilfsgelder gesammelt. Bei einer
internationalen Geberkonferenz kamen 252,7 Millionen Euro Soforthilfe
zusammen, wie Kreise des französischen Präsidialamtes nach einer
Videoschalte berichteten. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron
leitete gemeinsam mit den Vereinten Nationen das virtuelle Treffen,
an dem auch US-Präsident Donald Trump und Vertreter von mehr als 30
weiteren Staaten und Organisationen teilnahmen.
Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) hatte zuvor im ZDF von über 200
Millionen Euro Hilfe gesprochen. "Deutschland alleine wird sich mit
20 Millionen Euro zusätzlich beteiligen, um die größte Not zu
lindern, die es zurzeit in Beirut gibt", sagte Maas dem Sender. Es
sei überwältigend gewesen, wie viele Staaten sich beteiligt hätten.
Frankreich trägt 30 Millionen Euro Hilfe. "Die Zukunft des Libanons
wird jetzt entschieden", erklärte Macron.
Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) will dem Libanon mit
einem Rettungspaket helfen, verlangt dafür aber eine politische
Einigung auf umfassende Reformen. Die Finanzorganisation sei bereit,
ihre Bemühungen zu verdoppeln, sagte IWF-Chefin Kristalina Georgiewa
in der Schalte. Die EU kündigte an, ihre Nothilfe auf 63 Millionen
Euro aufzustocken. Davon unabhängig hatte Maas ein deutsches
Soforthilfepaket im Umfang von zehn Millionen Euro angekündigt. Auch
Papst Franziskus forderte internationale Hilfe für den Libanon.
(vdv/dpa)
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