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Wie eine Putzfrau zur stillen Heldin beim Attentat von Lüttich wurde

Illustration picture shows the scene of yesterday shooting at the boulevard d Avroy in Liege, Wednesday 30 May 2018. An armed man shot dead two police officers and one passer-by. The shooter was on ho ...
Bild: imago stock&people
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Wie eine Putzfrau zur stillen Heldin beim Attentat von Lüttich wurde

31.05.2018, 18:0001.06.2018, 08:48
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Am Donnerstag musste Belgiens Justizminister Koen Geens im Parlament Rede und Antwort stehen. Vier Menschen waren am Dienstag in Lüttich bei einem Attentat umgekommen, darunter der Angreifer Benjamin Herman. Er hatte zwei Polizistinnen überfallen und getötet und danach einen Autofahrer erschossen. Dann floh er in eine nahe gelegene Schule und nahm eine Putzfrau als Geisel: Darifa Imaankaf, 47. Sie konnte ihn zur Aufgabe bewegen und so das Leben der Kinder retten. Wie? Darüber berichten nun die belgischen Medien. ("De Standaard")

Die Heldin

Darifa Imaankaf, 47, ist belgische Staatsbürgerin, ihre Familie kommt aus Marokko. Imaankaf arbeitet als Putzfrau in der Léonie-de-Waha-Schule in der Innenstadt von Lüttich, als sie am Dienstag gegen 10.30 Uhr Unruhe auf der Straße bemerkt.

"Durch das Fenster sah ich den Nachbarn weglaufen, drei Mädchen rannten in die andere Richtung. Ich hörte, Gerufe und Geschreie. In einem Reflex habe ich die Türen abgesperrt."
Darifa Imaankaf

Der Überfall

Die Sekretärin der Schule und eine andere Putzfrau sei dann auf die Straße gelaufen, um zu sehen, was passiert sei.  "Mach die Tür auf. Mach die Tür auf", riefen sie bei ihrer Rückkehr. Imankaaf ließ sie in die Schule, schaute kurz über den Flur, ob alles okay sei.

"Als ich mich umdrehte, stand ich ihm (dem Attentäter) Auge in Auge gegenüber. Er hielt zwei Waffen in seinen Händen."
Darifa Imaankaf

Die dramatische Wende

Dann entspann sich folgender Dialog.

Er fragte mich: "Bist du Muslima?" Und: "Befolgst du den Ramadan?" Ich hab ehrlich geantwortet und "Ja" gesagt. 
Darifa Imaankaf

Dann sagte der Attentäter, Imaankaf müsse nichts befürchten, sie tue, was er sage. Ihr Bild vom Angreifer.

"Er hat heftig geschwitzt. Sein Gesicht und seine Hände waren voller Blut. Von den Menschen, die er vorher umgebracht hatte, begriff ich nun."
Darifa Imaankaf

Die Putzfrau begann zu weinen, aus Sorge vor den Kindern.  Dann sagte der Attentäter: "Du solltest um die Kinder in Palästina und Syrien weinen."

"Ich sah, dass er weinte und Angst hatte. Und unweigerlich landete mein Blick auf den Waffen in seinen Händen."
Darifa Imaankaf

Der Attentäter schaute, wie er im Schulhaus zu den Kindern gelangen konnte. "Ich werde sie büßen lassen", sagte er zu Darifa Imaankaf. Sie redete auf ihn ein. Dann warf der Attentäter seinen Pass zu Boden und rief der Attentäter drei Mal "Alla hu akbar" – Gott ist groß. Dann sei der Angreifer wieder vor die Schule getreten und im Feuergefecht mit den Polizisten ums Leben gekommen. 

"Ich denke, er wusste vorher, dass es vorbei war."
Darifa Imaankaf

Die Drohung

Von einem "Wunder" spricht die Putzfrau. Mit einem Schock wurde sie in eine Klinik eingeliefert. Dort haben sie Belgiens König Philippe und Innenminister Jan Jambon besucht und für ihren Einsatz gedankt

"Physisch bin ich okay, aber mich verfolgen die Gedanken um die Kinder. Ich bin sicher, dass wir einem noch größeren Unglück entkommen sind."
Darifa Imaankaf

Die persönliche Bilanz

Darifa Imaankaf sagt über den Attentäter.

"Ich verdanke ihm mein Leben. Aber zur gleichen Zeit verachte ich ihn."
Darifa Imaankaf

Noch etwas hat Darifa Imaankaf den belgischen Reportern berichtet: 

"Als er mich fragte, ob ich Muslima sei, wusste ich nicht warum. Er hätte auch ein Rassist sein können, der Muslime umbringen will."
Darifa Imaankaf

Epilog

Am Donnerstag wurde Justizminister Koen Geens im Parlament zu dem Attentat befragt. 

Der Attentäter, Benjamin Herman, wies zahlreiche Verurteilungen wegen Raub und Drogendelikten auf. Er hatte eigentlich eine Haftstrafe zu verbüßen, hatte aber tageweise Freigang erhalten. In der Haft soll er sich radikalisiert und zum Islam konvertiert sein. Er hatte auch Kontakte zur Islamistenszene im belgischen Verviers. In der Kleinstadt an der Grenze zu Deutschland waren im Januar 2015 zwei mutmaßliche Islamisten bei einer Anti-Terroraktion getötet worden.

Geens mochte keine Fehler erkennen und lehnte einen Rücktritt ab. "Nachdem ich zwei Nächte lang nachgedacht habe, habe ich beschlossen, das nicht zu tun", sagte er.

(per.)

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