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Otto Waalkes über den Grinch und Politik: "Es gab früher eine andere Art Tabu"

Benedict Cumberbatch voices the Grinch in Dr. Seuss The Grinch from Illumination. Los Angeles CA PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxONLY 33698_021THA
Leiht dem haarigen Weihnachtshasser seine Stimme: Otto Waalkes (links).Bild: imago/watson-montage
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"Vor Beifall von der falschen Seite ist kein Komiker sicher", sagt Otto über rechte Trolle

30.11.2018, 14:4118.12.2018, 13:58
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Özil geht, der Hambacher Forst bleibt, Chemnitz schreckt auf – 2018 war turbulent. Auch für uns: watson.de startete im März. Auf einige Geschichten sind wir seitdem besonders stolz. Wie auf diese hier:

Er ist Komiker, Maler, Musiker, Filmemacher und Synchronsprecher. Und dabei vor allem eines: immer irgendwie er selbst. Seit über 40 Jahren hüpft der Sinnverweigerer in Jogginghose über deutsche Bühnen, malt Ottifanten und haspelt durch Reimschemata und seichtes Witzerepertoire. Seine Sätze beginnen stets rasant, enden weich im Ton und spitz in der Aussage.

Über Politik spricht Otto eigentlich nie. Grund genug, um ihn genau danach zu fragen. Für watson hat Otto einen kleinen Zwischenstopp auf seiner Promotour für den Film "DER GRINCH" eingelegt. Darin hat der Ostfriese dem animierten Miesepeter seine Stimme geliehen.

watson: Sie synchronisieren den griesgrämigsten und haarigsten Griesgram, den die Welt je gesehen hat. Den Grinch. Wie viel Grinch steckt in Otto?
Otto Waalkes: Das habe ich mich auch gefragt, als man mir anbot, den Grinch zu sprechen. Ich glaube aber, einiges Ottospezifisches habe ich schon reingesteckt in den Grinch. Und irgendwie passt es. Unter der rauen Schale, hinter der Zyne, steckt ein weiches Herz.    

DER GRINCH läuft gerade in den Kinos:

Regie: Scott Mosier, Yarrow Cheney. Basierend auf dem Buch von: Dr. Seuss. Produktion: Chris Meledandri, Janet Healy.Video: YouTube/Illumination Germany

Der Grinch macht dann auch teilweise die Otto-typischen Geräusche. Seit ich weiß, dass dieses Interview stattfindet, habe ich auch komische Geräusche im Kopf.
Ach, echt? Musst Du zum Arzt?  

Otto macht erst "Ahaa", dann "Holladahiti". Er pfeift, er bellt und schickt ein "Bist du ruhig, sitz!" hinterher.

Ich bin wahrscheinlich nicht der Einzige, der dieses Problem hat. Wie oft werden Sie im Alltag mit ihren eigenen Geräuschmarken konfrontiert? Kommen Leute auf Sie zu und rufen "Hollederidi"?
Kann schon sein, ja. "Ahaa" und "Hollederidi" höre ich manchmal auch auf der Straße – und es kommt nicht immer von mir.  

Großhirn an Faust…
Ballen! Ja! Auch das.  

Sie machen das seit 45 Jahren. Wie schaffen Sie es da, nicht verrückt zu werden? Oder haben Sie das am Ende gar nicht geschafft?
Vielleicht ist genau das der Grund, warum ich nicht noch verrückter werde. Weil ich immer wieder die Bestätigung bekomme, dass ich wahrscheinlich nicht so viel falschgemacht habe. Weil so viel hängengeblieben ist im kollektiven Gedächtnis. Darüber freue ich mich.

Es war ja nie meine Absicht, von komischen Geräuschen zu leben.

Ich habe Kunst studiert. Jetzt male ich immer noch und nebenbei spreche ich den Grinch.  

Gibt es Witze, die der 70-jährige Otto dem 30-jährigen Otto von damals übel nimmt?
Übelgenommen haben andere. Es gab früher eine andere Art von Tabu, religiöse zum Beispiel.     

Sie mussten beim damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt vorstellig werden und sich entschuldigen.
Da ging es um einen harmlosen Scherz, viel zu bereuen gab's da eigentlich nicht. "Der Papst hat Selbstmord begangen. - Warum nicht, wenn man sich beruflich verbessern kann?" Dafür habe ich gern Abbitte geleistet, beim Kanzler, nicht beim Papst. Denn das hat immerhin für eine enorme Verbreitung gesorgt und war in aller Munde. Ich entschuldige mich sehr gern: Falls ich religiöse Gefühle verletzt haben sollte, dann bitte ich das höflichst zu entschuldigen. Religiöse Gefühle zu verletzen, ist mir zwar nie in den Sinn gekommen – aber für einen Lacher tut man so einiges.  

Ist ja heute auch ein Thema.
Das ist immer ein Thema. Fragen Sie Jan Böhmermann, der hat doch ständig damit zu tun. Aber allzu gewagte Grenzüberschreitungen liegen mir nicht. Ich teste die Grenzen des guten Geschmacks und wenn ich merke, oh Gott, das ging zu weit, dann mache ich was anderes.  

Es gibt also Themen, über die Sie keine Witze machen?
Wenn man es richtig anfängt, kann man vermutlich über alles Witze machen. Gegen eine gepflegte Sauerei zum Beispiel habe ich nichts einzuwenden. Alles eine Frage des Stils.  

Die Frage ist ja: Wie politisch ist Otto?
Eben, das frage ich mich auch. Und zwar seit 50 Jahren. Die einfachste Antwort: Alles ist politisch. Das stimmt zwar nicht, klingt aber gut. 

Der oft gehörte Vorwurf, was ich mache, sei so systemstabilisierend, ist kaum zu widerlegen. Allerdings finde ich ein System, das es so nett mit mir meint, auch gar nicht so übel.

Ich bin ja kein Kabarettist. Ich kümmere mich mehr um das Allzumenschliche – die Sprache zum Beispiel. Dadurch hat einiges, was ich vortrage, diese Langlebigkeit. Und ich bin immer noch da – genau wie Udo oder Heino…  

Nimmt Heino Ihnen die Nummer „Schwarzbraun ist die Haselnuss“ noch übel?
Im Gegenteil. Wir wollen diese Szene jetzt gemeinsam nachdrehen – diesmal soll ich wohl den Zombie-Part übernehmen – ausgleichende Gerechtigkeit. Friede auf Erden.  

Schwarzbraun ist die Haselnuss:

Aus "Otto – Der Film, 1985."Video: YouTube/OttoWausE

Sie haben einmal bei einem eigentlich seichten Talk auf der Verstehen-Sie-Spaß-Couch die Gitarre rausgeholt, einen alten Flippers-Klassiker uminterpretiert und Drohnenkrieg und Überwachungsstaat thematisiert. Ganz beiläufig zur Prime-Time.
Wann denn sonst? Schließlich geht das ja die meisten von uns an. Ob allerdings alle Zuschauer gleich gemerkt haben, was ich da so singe und wobei sie mitklatschen? Ganz sicher bin ich mir nicht, ich wirke so harmlos auf den ersten Blick, deswegen nimmt man mir das nicht gleich übel. Der Ausschnitt läuft übrigens ständig im Internet.  

Er wurde vor allem in rechten, verschwörungstheoretischen Kreisen ein kleiner Hit, weil man dort meinte, Sie würden über Angela Merkel singen. Wussten Sie das?
Das konnte man nicht meinen, das hat man einfach drunter geschoben. Ein paar neue Bilder dazu und der Sinn ist verkehrt. Das ist die Gefahr im Internet.  

Darum geht es:

Wem galt der Song wirklich?
Ich habe da niemanden im Sinn gehabt. Es war eine reine Parodie auf den Song der Flippers. 

Vor Beifall von der falschen Seite ist kein Komiker sicher.

So ganz unpolitisch ist Otto dann irgendwie doch nicht.
Das haben Sie gesagt. Ich bin ja anfangs meist vor studentischen Minderheiten aufgetreten. Dass dieser abseitige Nonsens dann massenkompatibel wurde, lag am Fernsehen. Das habe ich an dem plötzlichen Anonymitätsverlust gemerkt, den ich seitdem sehr genossen habe. Das lief ja auch parallel zur gesellschaftlichen Entwicklung seit `68.    

Sie haben in den 70ern in einer WG mit Udo Lindenberg gelebt, mit Autoren der Neuen Frankfurter Schule wie Robert Gernhardt, Peter Knorr oder Bernd Eilert zusammengearbeitet. Ist ihre Art des Witzes, der Otto typische Quatsch und Nonsens, eine bewusst unpolitische Reaktion auf diese hochpolitische Zeit? "Parlez-vous Pommes frites?“ statt Adorno?
Nee, das war’s nicht. Bon giorno, Adorno!, so hieß das. Oder: Liberté, Egalité, Ostfriesenté! Es gab ja anfangs durchaus Schnittmengen zwischen politischem Protest und Nonsens, eine studentische Spaßfraktion. Und der Bruch mit der Tradition war in der Komik genauso radikal. Bis dahin hieß das Witzschema: Vorlauf, Pointe, Lacher. Nun wurde der gepflegte Nonsens salonfähig. Es ging um überraschende Binnenscherze, reiche Reime, Stilparodien, Tonfälle – die Schlusspointe wurde manchmal verweigert. Das war neu und ungewöhnlich. Für Deutschland habe ich das im Zusammenspiel mit drei Autoren der Neuen Frankfurter Schule entwickelt, wir haben Showprogramme und Drehbücher zusammen geschrieben. Gernhardt, Eilert und Knorr kamen ja von der Hochkomik. Mein Part war es, diese elitären Sachen allgemeinverständlich zu machen. Das war manchmal  gar nicht so einfach, hat aber meist geklappt. 

Nonsens bedeutet ja nicht Unsinn, nein, es kommt darauf an, das Publikum in ein scheinbar stabiles Sinngehäuse zu locken, um es dort gnadenlos gegen die Wand knallen zu lassen.

Die besten Nummern funktionieren heute immer noch.   

Stimmt es eigentlich, dass Sie das Wasserbett von Udo Lindenberg mit Hansaplast abdichten mussten, weil der immer mit Kippe eingeschlafen ist?
Der ist mit der Zigarre eingepennt. Und dann ist das immer durchgetröpfelt von oben. Schlimmer war, wenn Udo sein Schlagzeug morgens um vier aufgebaut hat.  

Über eines müssen wir noch reden: den Schniedelwutz. Der Duden sagt, die Herkunft sei ungeklärt.
Stimmt nicht. Das ist meine Wortfindung gewesen. Das sollte man unbedingt richtigstellen.

Der watson-Grinch: Weihnachtsfan gegen Weihnachtshater...

Video: watson/Helena Düll

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