Deutschland macht auf. Immer mehr Länder werden Geschäfte, Kneipen (wahlweise Biergärten), Schulen und Kitas, Hotels, kurz weite Teile des öffentlichen Lebens, öffnen wieder. Sinkende Infektionszahlen und niedrige Reproduktionszahl, dazu Druck aus Wirtschaft und Gesellschaft öffnen Türen, die für sieben Wochen verschlossen waren.
Bei Bedarf, sprich, wenn die Zahlen steigen, sollen selbige wieder zugehen, heißt es aus der Politik. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nannte das am Dienstag eine "atmende Strategie", andere sprechen von Eingriffen in Intervallen oder "Beschleunigen und Bremsen".
Der Virologe Alexander Kekulé hält diese Strategie für gefährlich. In einem Gastbeitrag für "Zeit Online" schreibt der Forscher am Mittwoch: "Das Konzept der Eingriffe in Intervallen ist brandgefährlich."
Im nächsten Schritt geht der Virologe weiter und nennt das Konzept der Eingriffe in Intervallen "im Hinblick auf die unmittelbaren Gesundheitsfolgen hochriskant". Gerade die Öffnung von Kitas und Schulen sei "zwangsläufig" mit einer erneuten Ausbreitung des Virus verbunden, denn:
Kekulé warnt außerdem davor, Deutschlands (unbestrittene) Fortschritte zu hoch einzuschätzen, beziehungsweise die deutschen Bemühungen zu überschätzen. Das Land habe "großes Glück" gehabt. Statt über Italien hätte Covid-19 auch über den rheinischen Karneval oder das Oktoberfest nach Europa einfallen können.
So schlägt Kekulé in einem letzten Schritt vor, statt auf Eingriffe in Intervallen auf "Smart Distancing" zu setzen. Das englische Wort "smart" (dt.: klug, clever) ist in dem Fall als Akronym zu lesen und steht für:
Zwar herrsche gerade bei MART bundesweit "im Prinzip Einigkeit". Das S sieht der Experte aber gefährdet. "Der Vorschlag, Risikogruppen und vor allem Ältere gezielt vor Covid-19 zu schützen", erfahre "den größten Widerstand". Von Betroffenen, Wissenschaftlern wie Verfassungsrechtlern gleichermaßen.
Kekulé meint an dieser Stelle, der Schutz von Risikogruppen sei möglich, ohne ihre Grundrechte zu beschränken, etwa über spezielle Maßnahmen in Alten- und Pflegeheimen und dem Ausstatten der Risikogruppen mit FFP2-Masken. Dann könnten "ältere Menschen das Haus verlassen und unter Leute gehen, ohne ihr Leben durch Covid-19 zu riskieren". Jüngere Risikogruppenangehörige, also etwa Teenager mit Krebserkrankungen, könnten individuell mit ihrem Arzt beraten, ob und welche Schutzmaßnahmen sinnvoll seien.
Ein weiterer Vorteil von "Smart Distancing" sei, dass die Strategie nicht auf eine ethisch schiefe Bahn führe. Zwar steige die Durchseuchung der Gesamtbevölkerung an (etwas Gutes, denn so wird langsam Herdenimmunität aufgebaut), gleichzeitig würden Risikogruppen geschützt.
Die aktuelle Strategie sei hingegen "ethisch nicht unproblematisch". Lockerungen setzten die Menschen einem hohen Infektionsrisiko aus, was die Politik verschweige. Ein konsequenter Schutz der Risikogruppen finde nicht statt, die jüngere Bevölkerung profitiere "überproportional von den Freiheiten".
So kommt Kekulé zu seinem Fazit:
(pcl)