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Hartz IV

Hartz 4 Empfänger sind "zu faul zum Arbeiten" – Millionär lästert geringschätzig

Heinz von Seyn-Wittgenstein im Bademantel: So hat er sich in der Öffentlichkeit noch nie gezeigt.
Heinz von Seyn-Wittgenstein im Bademantel: So hat er sich in der Öffentlichkeit noch nie gezeigt.Bild: RTL2
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Millionär lästert über Hartz-IV-Empfänger – und drückt sich selbst vor der Arbeit

13.12.2019, 09:3016.01.2020, 09:14
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Ein Wohnwagen auf einem Campingplatz. Ein rundlicher Mann stolpert morgens die hohe Stufe des Wohnmobils hinunter, den Bauch stolz gereckt vor sich her tragend. Bekleidet ist er lediglich mit einem Bademantel – "Heinz Nummer 1" ist drauf gedruckt – in der Hand hat er leere Flaschen und eine Zahnbürste. Immerhin sei die Zahnbürste vergoldet, sagt der Mann. Ein letztes Statussymbol seines eigentlichen Reichtums.

Bei dem nahezu ärmlich wirkenden Campingplatz-Bewohner handelt es sich um den Fürst Heinz von Sayn-Wittgenstein – einem der Protagonisten von "Promis auf Hartz IV". Bei dem Sozialexperiment von RTL 2 probieren Adlige wie Heinz, Prinz Mario zu Schaumburg-Lippe oder C-Promis wie Hubert Fella die Existenz in Armut aus: Drei Wochen lang leben sie wie Hartz-IV-Empfänger. Und zwar in Sozialwohnungen oder dem Wohnmobil, mit wenigen hundert Euro zum Leben – entsprechend dem Hartz-IV-Satz.

Der Adlige ist schon zum zweiten Mal bei "Promis auf Hartz IV" dabei

Während Menschen wie Hubert Fella und sein Mann Matthias zumindest ansatzweise erkennen, was ein Leben vom Hartz-IV-Satz tatsächlich bedeutet – nämlich Armut, oft ungesunde Ernährung sowie Streitereien wegen Geld – zeigt der Fürst von Seyn-Wittgenstein wenig Verständnis für Arbeitslose. Er unterstellt Hartz-IV-Empfängern, dass sie zu faul seien zum Arbeiten, betont gleichzeitig, dass er von dem wenigen Geld nicht leben könne und verteilt ungefragt Ratschläge an Arbeitslose.

Verwunderlich ist die mangelnde Empathie des Fürsten in gewisser Hinsicht schon. Schließlich ist Heinz bereits zum zweiten Mal bei "Promis auf Hartz IV". Gelernt hat er von seiner ersten Teilnahme offensichtlich nichts.

2018 war er mit seiner mittlerweile Ex-Frau Andrea in den ersten vier Folgen der Armutsshow zu sehen. In jener Staffel teilten sich die Sayn-Wittgensteins eine Sozialwohnung in Köln, während sie vom Hartz-IV-Satz leben mussten. Schon damals trugen die Adligen Streitereien vor der Kamera aus, ob dreilagiges Toilettenpapier weich genug für des Fürsten Popo sei – oder ob das teure vierlagige hermüsse.

Der Fürst meint, unter anderem wegen Hartz IV sei seine Ehe in die Brüche gegangen

Der Beziehung gut getan hat das Hartz-IV-Experiment wohl nicht. In der ersten Folge der aktuellen, zweiten Staffel, spricht Heinz darüber, dass seine Ehe der Belastung, die die kurzzeitige Armut mit sich brachte, nicht standhalten konnte. Er und Andrea hätten sich kurz nach Abschluss der Dreharbeiten getrennt.

Dennoch schreckte der Fürst offensichtlich nicht zurück, seine neue Freundin Sylwia ebenfalls zum Hartz-IV-Experiment zu überreden. Ob Heinz seine neue Beziehung gleich auf die Probe stellen möchte? Oder soll der Ausflug in die Armut schon den Frischekick in die noch so junge Partnerschaft bringen? Vielleicht möchte Heinz, trotz aller Dramen der ersten Staffel, noch näher an seine Grenzen zu kommen?

Letzteres liegt nahe. Denn dieses Mal bekommt der Fürst für seine Teilnahme am Experiment nicht einmal eine richtige Wohnung zur Verfügung gestellt. Nun haust er in einem Wohnwagen auf einem Campingplatz. Er und seine Freundin haben gemeinsam 517 Euro für drei Wochen zur Verfügung. Anstatt seine Finanzen sinnvoll zu planen, lässt Heinz lieber große Sprüche vom Stapel – die seine wahre Meinung über Menschen in Armut entlarven.

Während eines Gesprächs mit Arno, einem Hartz-IV-Empfänger, der ebenfalls auf dem Campingplatz wohnt, kommentiert Heinz zum Beispiel:

"Es gibt Millionen von Hartz-IV-Empfängern und ich behaupte, ein großer Teil davon will mit Absicht nicht arbeiten. Und das wird vom Staat gefördert."

Dann fragt er Arno unverblümt, ob er Drogen nähme und wie viel er trinke. Als hätten alle Hartz-IV-Empfänger ein Suchtproblem.

Der Fürst macht sich unbeliebt bei den Hartz-IV-Empfängern

Ironischerweise geht der Fürst in puncto Fleiß allerdings nicht mit gutem Beispiel voran. So bekommt er von der Campingbetreiberin die Aufgabe, die Toiletten zu putzen. Als Strafe. Denn Heinz hat im Wagen, den er vom Campingplatz geliehen hat, geraucht.

Nach Kloputzen steht dem Fürsten nicht der Sinn. Zu dieser Art von Arbeit scheint Heinz eine ganz eigene Haltung zu haben:

"Arbeit kann den Erfolg bremsen. Ich sage: Denken und dann Handeln. Aber selbst arbeiten kann sehr aufwendig sein und viel Zeit kosten."

Soll quasi heißen: Heinz wäre schön blöd, wenn er den ganzen Tag allein Toiletten schrubbt. Also macht er sich auf, um andere Camper um Unterstützung zu bitten. Weil Kloputzen so viel Spaß mache, so preist er die Aufgabe an.

Das Ende vom Lied ist, dass der Fürst die anderen Bewohner des Campingplatzes schrubben lässt – und sich selbst auf eine Zigarette zurückzieht. Entschuldigung, wer war hier noch mal faul?

Erwartungsgemäß kommentiert ein Camper beim erneuten Zusammentreffen mit Heinz auch: "Das Arbeiten hat er nicht erfunden." Und der Zuschauer freut sich, weil der Reiche aus demselben Grund über die Armen schimpft, wie der Arme über die Reichen.

In der anschließenden Szene, beim gemeinsamen Biertrinken mit den anderen Campingplatz-Bewohnern, setzt Heinz noch einen drauf und erklärt sämtlichen anwesenden Hartz-IV-Empfängern (dem Großteil der Runde also), dass sie bei der Arbeit nur erfolgreich wären, wenn sie ihnen Spaß machen würde. Auch gäbe es genügend Arbeit in Deutschland: "Ich behaupte, wenn du gesund bist, hast du immer eine Wahl."

Einer in der Runde, der 20-jährige Pascal, der schon einmal obdachlos war, sieht das anders. Seine Realität ist von einer beruflichen Aussichtslosigkeit bestimmt, die der Fürst wahrscheinlich schwer nachvollziehbar findet:

"Wir müssen jeden Job annehmen, den es gibt."

In diesem Gespräch habe der Fürst sich mit seiner wahren Meinung zurückgehalten, wie er später kommentiert. Was er von armen Menschen hält, wird dennoch allzu deutlich: Wer arbeitslos ist, ist selbst schuld.

Bei "Promis auf Hartz IV" werden reiche Menschen ausgestellt, nicht arme

Natürlich kommt der Fürst deswegen auch beim Zuschauer nicht gut weg. Dass er der Abgehobene ist, der den Blick auf die Realität von Millionen von Menschen verloren hat, ist deutlich. Der Sympathieträger der Sendung ist er offensichtlich nicht. Zusätzlich bieten Szenen, in denen der Fürst sich über die Armen aufregt und gleichzeitig vor dem Kloputzen drückt oder in denen er lernt, dass es auch auf Dosen Pfand gibt, ein starkes Unterhaltungspotenzial.

Im Gegensatz zu anderen Armutssendungen wie "Armes Deutschland" oder "Hartz und herzlich" werden hier nicht arme Menschen zur Schau gestellt, sondern reiche.

Menschen wie Heinz von Sayn-Wittgenstein werden allerdings nicht aus Not zu Protagonisten, sondern einfach nur, weil sie können. Sie müssen nicht von Hartz IV leben, sondern dürfen das einfach mal ausprobieren. Sich ein bisschen vor dem Wohnwagen ekeln. Ein bisschen über die deutlich geschrumpfte Anzahl von Habseligkeiten ärgern. Ein bisschen motzen, wenn sie beim Einkaufen im Discounter improvisieren müssen. Und dabei vor allem eins zeigen: Wie weit entfernt sie vom Alltag Millionen Deutscher zu sein scheinen.

"Schuld sind immer die anderen", sagt der Fürst an einer Stelle passenderweise. Gemeint sind damit eigentlich die Ausreden der Arbeitslosen. Er selbst scheint allerdings nach demselben Motto zu leben. So viel meint "Promis auf Hartz IV" zumindest zu offenbaren.

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