Wo andernorts einsam herumstehende Koffer mindestens Misstrauen auslösen, sorgen sie bei "Zahltag" für Freudentränen: Schließlich enthält der schwarze Aktenkoffer fast 30.000 Euro.
"Zahltag – Ein Koffer voller Chancen" ist ein Sozialexperiment von RTL und soll Hartz-IV-Empfängern den Weg in die Selbstständigkeit ebnen, weg von der finanziellen Abhängigkeit. Dafür soll das Geld aus dem Koffer genutzt werden, welches den gezahlten Hartz-IV-Leistungen eines Jahres entspricht. Kommentiert wird das Geschehen von drei Experten, die auch um Rat gebeten werden dürfen:
Hartz-IV-Empfängern dabei helfen, finanziell wieder auf die Beine zu kommen und ihnen beim Umsetzen ihrer Geschäftsideen zu helfen, klingt zunächst vielversprechend. Bedenklich ist allerdings nicht nur, dass die Teilnehmer allesamt keine Erfahrung als Selbstständige haben. Auch die Experten scheinen an den Chancen einiger der Protagonisten zu zweifeln.
In der Folge am Dienstag riet Thönnessen zum Beispiel Familie Schubardt, sich einen Job in Festanstellung zu suchen, bevor sie eine Firma gründen. Bessin sagte über eine andere Familie, die Trauts, dass sie jemanden bräuchten, der ihnen generell bei der Planung helfen sollte – und gibt damit ungewollt zu verstehen, dass sie als Expertin wohl nicht dieser jemand ist.
Watson hat bei RTL nachgefragt, wie diese Beispiele mit dem Sendekonzept von "Zahltag" zusammenpassen und was die Kölner tun, sollten die Geschäftsideen der Protagonisten nicht aufgehen. Die Produktionsfirma EndemolShine Germany, die wir ebenfalls angefragt haben, verweist auf den Sender.
RTL definiert das Konzept der Sendung auf der eigenen Webseite wie folgt:
Mit keinem Wort wird eine Anstellung erwähnt. Das Ziel soll also der Weg, hier der "Sprung", in die Selbstständigkeit sein.
Auch die Tatsache, dass alle teilnehmenden Familien eine Geschäftsidee mitbringen, lassen darauf schließen, dass die Selbstständigkeit im Vordergrund steht. Umso überraschender ist es, dass Thönnessen bei der Familie Schubhardt so auf die Festanstellung pocht. In der Sendung sagt er:
Ob es mit dem Sendekonzept vereinbar ist, einen Job in Festanstellung zu suchen – das bestätigt RTL. Denn:
Demnach scheint es eher im Vordergrund zu stehen, dass die Familien den Weg aus der Armut finden – nicht die Art und Weise, wie.
Was passiert, wenn die "Zahltag"-Teilnehmer, die laut RTL übrigens nicht von den Experten selbst ausgewählt werden, mit ihren Geschäftsideen scheitern?
Das möchte der Sender noch nicht verraten. Schließlich sei das Experiment auch noch nicht vorbei und die Teilnehmer demnach nicht gescheitert:
Das ist nur in Teilen bekannt. RTL verweist darauf, dass sie aus rechtlichen Gründen keine Details zu den Familien weitergeben dürfen, die Dreharbeiten außerdem schon "eine ganze Zeit lang" zurückliegen.
(ak)