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Junge Lehrerin über Corona: "Manche Leute haben Angst, sich mit mir zu treffen"

Eine junge Lehrerin berichtet: Im Unterricht tragen die meisten Schüler Maske. (Symbolbild)
Eine junge Lehrerin berichtet: Im Unterricht tragen die meisten Schüler Maske. (Symbolbild)Bild: Getty images
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Junge Lehrerin über Corona: "Manche Leute haben Angst, sich mit mir zu treffen"

09.11.2020, 19:2509.11.2020, 19:47
tabea r.
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Tabea R. (Name von der Redaktion geändert), 31, ist Lehrerin an einem Gymnasium in Berlin. Dass Menschen in ihrem Alter oder noch jüngere sich nicht an die Corona-Regeln halten würden, kann Tabea nicht bestätigen: Sowohl sie als auch Freunde, Kollegen und Schüler befolgen die Maßnahmen recht gewissenhaft. Trotzdem fürchten manche Bekannte, sich bei Tabea anzustecken – und meiden sie sogar.

"So ungewöhnlich die Situation auch ist, die Schüler scheinen sich daran gewöhnt zu haben."

Die Klasse ist halb leer, auf meinem Pult steht ein Laptop, auf dem ich die andere Hälfte der Schüler sehe, die zu Hause sitzt, die Fenster sind weit geöffnet, obwohl es draußen alles andere als sommerlicher Temperaturen hat: Seit Beginn der Corona-Pandemie sind solche Szenen im Schulalltag keine Seltenheit.

Ich bin 31 und unterrichte Englisch und Französisch in einem Gymnasium in Berlin. Das vergangene halbe Jahr war ziemlich turbulent: Seit Beginn der Corona-Krise mussten wir zunächst lernen, uns an den Fernunterricht und das ständige zu Hause sein zu gewöhnen. Seit Beginn dieses Schuljahres sind wir vor neue Herausforderungen gestellt und müssen natürlich auch während der Schulzeit die Corona-Maßnahmen beachten: Das heißt vor allem, Abstand halten und Maske tragen.

So ungewöhnlich die Situation auch ist, die Schüler scheinen sich daran gewöhnt zu haben. Die meisten tragen ihre Masken selbst im Unterricht sehr gewissenhaft – bis auf die jüngsten, die müssen wir hin und wieder ermahnen, wenn der Mundschutz unter die Nase rutscht. In manchen Klassen sitzt ein Schüler oder eine Schülerin mit einer Eieruhr und achtet darauf, dass regelmäßig gelüftet wird. Ich unterrichte mittlerweile mit Jacke, während die Schüler sich Decken mitgebracht haben und sogar Regenkleidung, wenn wir sie bei schlechtem Wetter nach draußen in die Pause schicken müssen. Die Gefahr, dass sich die Klassen im Flur untereinander vermischen, wenn sie sich vor dem Regen verstecken, ist einfach zu groß.

watsons Reihe: Wie junge Menschen durch die Corona-Krise helfen
Seit Beginn der Pandemie stehen vor allem junge Leute häufig in der Kritik, sich nicht an die Corona-Maßnahmen zu halten. Deswegen gibt watson jungen Erwachsenen eine Stimme – und zeigt, wie sie helfen, die Corona-Zeit zu überstehen.

Teil 1: Junge Pflegerin: "Merkel scheint alle jungen Leute in eine Schublade zu stecken"
Teil 2: Junge Klinikmitarbeiterin: "Wenn ich Corona-Leugner sehe, denke ich an meine Patienten"

Alle geben sich Mühe, durch diese Pandemie zu kommen

Ich habe den Eindruck, an unserer Schule geben sich alle sehr viel Mühe, gemeinsam diese Pandemie durchzustehen, egal ob die Kinder und Jugendlichen oder meine Kollegen. Vor allem unsere Schulleitung nimmt sehr viel auf sich, damit wir Lehrer nicht allzu sehr belastet werden. Darin zeigt sich allerdings auch das Problem der aktuellen Lage:

Zwar hatte die Kultusministerkonferenz Hygienepläne für die Schulen landesweit erarbeitet. Diese sind allerdings teilweise recht schwammig oder schwer umzusetzen. Im Endeffekt bleibt viel an den jeweiligen Schulen hängen, sich zu überlegen, wie sie den Anforderungen gerecht werden können, um einen sicheren Unterricht zu ermöglichen. CO2-Messgeräte gibt es zwar, man kann sie sich am Sekretariat ausleihen. Noch besser wären allerdings spezielle Filter, die die Luft von Aerosolen befreien könnten. Die gibt es hier allerdings nicht.

"Bisher hatte ich nur einen Fall, bei dem die Eltern nicht wollten, dass ihr Sohn eine Maske oder ein Visier trägt, eine wirkliche Begründung haben sie nicht genannt, als wir Lehrer nachgehakt haben."

Umso besser ist es, dass sich die Schüler so gut mit der Situation arrangieren, auch wenn es nicht ideal ist. Auch die Eltern ziehen größtenteils mit. Bisher hatte ich nur einen Fall, bei dem die Eltern nicht wollten, dass ihr Sohn eine Maske oder ein Visier trägt, eine wirkliche Begründung haben sie nicht genannt, als wir Lehrer nachgehakt haben. Ich könnte mir allerdings denken, dass sie wohl nicht so richtig an Corona glauben und sich deswegen geweigert haben.

Eine Freundin von mir geht immer noch feiern

Dass jungen Menschen vorgehalten wird, sich nicht an die Maßnahmen zu halten, geht ein wenig an mir vorbei: Das liegt schlichtweg daran, dass sowohl ich als auch meine Freunde und Bekannten sich an die Regeln halten, um andere zu schützen. Gerade jetzt, mit den steigenden Fallzahlen, achte ich noch mehr darauf, wie und mit wem ich mich treffe. Eine Freundin von mir zum Beispiel, die immer noch feiern geht, treffe ich nun lieber zum Spazierengehen als zum Kaffee drinnen.

"Weil ich nun mal jeden Tag mit Menschen zu tun habe, haben manche Freunde Angst, sich im Zweifelsfall bei mir anzustecken – obwohl wir uns so viel Mühe geben, die Maßnahmen zu befolgen."

Andererseits gibt es auch einige Leute, die mir zu verstehen gegeben haben, dass sie sich nicht mehr mit mir treffen möchten: Weil ich nun mal jeden Tag mit Menschen zu tun habe, haben manche Freunde Angst, sich im Zweifelsfall bei mir anzustecken – obwohl wir uns so viel Mühe geben, die Maßnahmen zu befolgen. Andererseits kann ich ihre Sorgen verstehen und bin ihnen nicht böse, wenn sie mich meiden.

Dass wir noch einmal komplett in den Lockdown gehen und die Schulen noch einmal schließen müssen, kann ich mir nicht vorstellen. Zwar merkt man jetzt mit den steigenden Fallzahlen ein paar Veränderungen im Schulalltag: Bei Verdachtsfällen kommen die Gesundheitsämter nun nicht mehr richtig hinterher, die Infektionsketten nachzuvollziehen und die Risiken richtig einzuschätzen.

Wir lösen es nun so: Wenn es einen Verdacht gibt, dass ein Schüler oder eine Schülerin positiv auf Corona getestet werden könnten, ist die Anwesenheit freiwillig – und dann unterrichte ich eben halb in Präsenz, halb online. Daran, in die Webcam zu sprechen und Schüler per elektronischem Handzeichen dran zu nehmen, habe ich mich mittlerweile gewöhnt.

Protokoll: Agatha Kremplewski

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