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Unwetter: Jörg Kachelmann im Interview

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Wetterexperte Jörg Kachelmann warnt vor gefährlichen Unwetter-Mythen

29.05.2018, 16:00
Daniel Schreckenberg
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Wenn sich der Mai in dieser Woche verabschiedet, dann fast überall mit einem lauten Knall: Es ist schwül-warm, bei über 30 Grad sind jeden Tag schwere Unwetter angesagt. Ein Überblick über die letzten Tage: ein Tornado über dem Niederrhein, haufenweise vollgelaufene Keller in West- und Mitteldeutschland, die Feuerwehr ist im Dauereinsatz. Im Ruhrgebiet verletzen sich zwei junge Frauen schwer, als ein Blitz in ihrer Nähe einschlägt.

Aber ist das noch normal?

Wetterexperte Jörg Kachelmann erklärt im Interview mit unserem Partner t-online.de, warum wir uns künftig auf immer mehr Unwetter einstellen müssen und warum wir endlich lernen müssen, uns bei Gewitter anders zu verhalten.

Herr Kachelmann, ist das aktuelle Wetter "normal" für Deutschland?

Es ist 2 bis 4 Grad wärmer als sonst durchschnittlich im Mai. Damit befinden wir uns im oberen Bereich dessen, was wir für diese Zeit erwarten können. Nicht Rekord, aber im Trend: Durch den Klimawandel wird es einfach signifikant wärmer und auch feuchter.

Der Mai war bislang richtig warm

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Bild: dpa

Hitze, schwere Unwetter, Tropennächte – warum herrscht bereits im Mai der Hochsommer?

Der Wind bestimmt, wie das Wetter wird. Bei Nordwind ist es eher kalt, herrscht Südwind ist es warm. Momentan kommt er aus dem Südosten. Das Wetter interessiert sich dabei nicht, welcher Kalendermonat gerade ist. Wir haben eine festgefahrene Wetterlage, bei der der Wind dorther kommt, wo Sommer ist. Dem Wind ist wurscht, welcher Monat bei uns gerade ist.

Stichwort Unwetter: Sie beklagen eine allgemeine Sorglosigkeit der Deutschen bei Gewitter. Warum ist die so gefährlich?

Ganz einfach: Weil sie mit dem Tod enden kann. Es gibt weltweit jedes Jahr 24.000 Blitztode. Bei dem Fall in Bochum, wo zwei junge Frauen durch Blitzschlag schwer verletzt wurden, war eine Menge Glück im Spiel. Es gab jemanden, der Reanimationsmaßnahmen durchführen konnte. Wäre das nicht geschehen, wären die beiden Frauen gestorben. Die Gefahr wird bei uns generell unterschätzt.

Blitze über München

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Bild: dpa

Nun wird überall gewarnt, was Menschen bei Gewitter tun oder nicht tun sollten: nicht telefonieren, nicht Fahrrad fahren – was halten Sie von diesen Tipps?

Ich habe das Gefühl, wir leben wieder im Mittelalter. Es herrscht da draußen ein Aberglaube, der wirklich gefährlich werden kann. Auch durch die Ratschläge von Experten.

Da sagt der Deutsche Fahrradclub, man solle sich doch bitte bei Gewitter drei Meter neben sein Rad stellen. Oder es wird geraten, bei Blitzen sein Handy nicht zu benutzen. Diese Verhaltensregeln sind völliger Schwachsinn und frei erfunden. Und spielen eine Sicherheit vor, die es nicht gibt. Wenn sich Menschen wegen solcher Tipps bei Gewitter dann trotzdem im Freien aufhalten, kann das tödlich enden.

Welche Ratschläge würden Sie stattdessen geben?

Es gibt nur zwei Regeln bei einem Unwetter. Erstens: Du bist im Auto sicher. Das gleiche gilt weitgehend für Häuser, dort im Erdgeschoss bleiben. Der gesunde Menschenverstand könnte ausreichen. Denn ein Gewitter kommt niemals überraschend. Man sieht Wolken, hört Donner, wenn es noch 15 Kilometer weg ist.

"Der gesunde Menschenverstand könnte ausreichen."

Man sollte sich dann einen Unterschlupf in der Nähe suchen. Das klappt auch in 99,9 Prozent der Fälle. Wer bei einem Unwetter also noch draußen ist, hat vorher etwas falsch gemacht. Zweite Regel: Draußen ist es für alle gleich wahrscheinlich, vom Blitz erschlagen zu werden und zu sterben. Mit und ohne Fahrrad.

Ist es im Mai hochsommerlich warm, fällt der eigentliche Hochsommer ins Wasser, heißt es jetzt wieder überall. Ist da etwas dran?

Lottospieler schauen sich auch an, welche Zahlen in den letzten Jahren gewonnen haben und tippen sie nicht. Obwohl die Wahrscheinlichkeit natürlich die gleiche ist, dass sie erneut gezogen werden. Genauso ist es mit dem Wetter.

Meteorologisch gesehen kann es sehr gut sein, dass der Sommer so weiter macht. Statistisch gesehen ist es aber weniger wahrscheinlich, weil es schon ungewöhnlich wäre, dass mehrere zu warme Monate aufeinander folgen. Was aber definitiv falsch ist, sind Aussagen wie: "Der Sommer hat sein Pulver verschossen." Das Wetter hat keinen Temperaturhaufen, der früher oder später verbraucht ist.

Dieser Artikel ist zuerst auf t-online.de erschienen

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