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"Sehr viel Spielraum für Auslegungen": Das sagt Fridays for Future zur neuen "Klimaunion"

Fridays for Future Kundgebung in Berlin Für den Klimaschutz demonstrieren Schüler auch am 28.06.2019 weltweit unter dem Motto Fridays for Future . In Berlin haben sich wieder einige hundert Schüler zu ...
Fridays for Future ist kein großer Freund der Klimapolitik der Union. Die neue "Klimaunion" begrüßen die Aktivisten generell – fordern aber Taten.Bild: www.imago-images.de / bCarsten Thesing
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"Sehr viel Spielraum für Auslegungen": Das sagt Fridays for Future zur neuen "Klimaunion"

14.04.2021, 09:3214.04.2021, 17:06
franziska türk
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Pläne zur Bekämpfung der Klimakrise? Fand man bisher noch am ehesten in den Programmen der Parteien links der Union. Doch das soll sich jetzt ändern. Innerhalb der Union hat sich eine Gruppierung gebildet, die den Klimawandel stärker als bislang bekämpfen will. Der Plan: Das 1,5-Grad-Ziel soll im Parteiprogramm der Union verankert werden. Und: Deutschland soll "in den nächsten 10 bis 20 Jahren klimaneutral" werden. "Der Plan der Bundesregierung sieht momentan vor, dass wir bis 2050 klimaneutral werden. Damit können wir aber das 1,5-Grad-Ziel nicht erreichen", sagt Wiebke Winter, eine der Mitbegründerinnen der Klimaunion, im Interview mit watson. Die Klimaunion wolle deshalb so lange Druck machen, bis das 1,5-Grad-Ziel und die Klimaneutralität glaubhaft im Regierungsprogramm verankert sind.

Für Umweltorganisationen und Klimaschutzaktivistinnen und -aktivisten sind das erst einmal erfreuliche Nachrichten – dennoch bleiben Zweifel, ob die Union durch die Initiative wirklich zum Klimahelden werden kann. Olaf Bandt, Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) sagt gegenüber watson:

"Die Union hat sich bislang nicht so verhalten, als wüsste sie um die Existenz des 1,5-Grad-Ziels. Die klimapolitischen Aktivitäten der Union haben bislang nicht die Umwelt bewahrt, sondern nur den veralteten großindustriellen Status quo."

So verzögere die Union den Kohleausstieg und setze das Gelingen der Energiewende aufs Spiel. Dass die Union nun die Bewahrung der Umwelt durch echten Klimaschutz für sich entdecke, begrüße der BUND aber. "Insofern kann die sogenannte Klimaunion ein innerparteilicher Vorstoß sein, dem hoffentlich nicht so schnell wieder die Luft ausgeht, wie er groß aufgeblasen wurde", sagt Bandt. Die Zeit von Lippenbekenntnissen und Wahlkampfversprechen sei vorbei.

Bundestagswahl könnte Klimawahl werden

Könnte die Gründung der Klimaunion auch eine Reaktion auf das gestiegene Wählerinteresse an dem Thema sein? Fakt ist: Klimapolitik interessiert längst nicht mehr nur Grünen-Wähler. Laut dem Politbarometer ist der Klimawandel für viele Wähler – neben dem Coronavirus, versteht sich – derzeit das wichtigste Problem in Deutschland. "Für viele Menschen in Deutschland wird das klimapolitische Angebot maßgeblich entscheidend dafür sein, welcher Partei sie am 26. September ihre Stimme geben", heißt es auch vom World Wide Fund For Nature (WWF).

Die Gründung der Klimaunion zeige, dass in den Reihen der Union die Notwendigkeit erkannt wurde, das Tempo in Sachen Klimaschutz und Nachhaltigkeit in der Union deutlich zu erhöhen. "Die von der Initiative verfolgten Ziele der Durchsetzung einer konsequenten 1,5-Grad Politik mit dem Ziel der Klimaneutralität bis 2040 würde einen Meilenstein in der klimapolitischen Programmatik der Union darstellen." Welche Schlagkraft die Initiative entwickeln könne, werde sich zeigen – unter anderem im Wahlprogramm der Union.

Klimaschutz ohne Kapitalismuskritik

Eben dieses Wahlprogramm, sagt Klimaunions-Gründerin Wiebke Winter, solle zwar das 1,5-Grad-Ziel beinhalten, nicht aber die Kapitalismuskritik, wie sie etwa Fridays for Future vorbringt – die Klimabewegung sei vielen Bürgern inzwischen zu links. Man wolle stattdessen "Unternehmen und die Industrie mitnehmen. Wir wollen Klima-Wohlstand schaffen", sagt Winter.

Begrifflichkeiten wie den Klima-Wohlstand halten die Klimaaktivisten von Fridays for Future bisher allerdings für "leere Worthülsen". "Wir haben keine Zeit mehr für Korruption und Greenwashing. Nun müssen Taten folgen", sagt Aziza Ernst von Fridays for Future gegenüber watson. "Vom CDU-Vorsitzenden Armin Laschet erwarten wir, dass er die Stimmen aus seiner Partei ernst nimmt und den Impuls der Klimaunion ins CDU-Wahlprogramm aufnimmt. Nach 16 Jahren muss endlich Schluss sein mit der vehementen Blockade der Energiewende."

Die Gründung der Klimaunion sei dabei ein wichtiger Schritt – und zeige, dass auch Teile der Union müde sind von der Blockadehaltung der Partei, sagt Aziza Ernst:

"Allen sollte jedoch bewusst sein, dass die momentane Forderung der Klimaunion sehr viel Spielraum für Auslegung lässt. Klimaneutralität 2025 bis 2040 ist nicht nur problematisch, weil es konkretes Handeln wieder in weite Ferne schieben kann, sondern auch, weil sich der Begriff Klimaneutralität weit dehnen lässt."

Auch der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) bemängelt: Bisher kam man beim Klimaschutz nur in Mini-Schritten voran. "Unsere Erwartungen an die nächste Legislaturperiode sind hoch. Wir setzen uns für einen echten Aufbruch mit einem starken 100-Tage-Klimaschutz-Sofortgesetz ein", heißt es vom Naturschutzbund. Das beinhalte die Anhebung des nationalen Klimaziels bis 2030 auf -70 Prozent und das Vorziehen des Kohleausstiegs von 2038 auf 2030. "Hier kann die Klimaunion sich beweisen. Genau das wollen wir in den Wahlprogrammen der Parteien sehen."

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