Nachhaltigkeit
Interview

Warum Frauen nachhaltiger leben, aber stärker unter der Klimakrise leiden

DEU , DEUTSCHLAND : Waehrend der Corona-Krise / Corona-Pandemie demonstrieren FRIDAYS FOR FUTURE in Bonn mit Maske und Mundschutz gegen den Klimawandel / Klimademo / Klimastreik / Corona , 25.09.2020  ...
Bei Fridays-for-Future engagieren sich viele Frauen – so wie hier bei einer Demo in Bonn.Bild: www.imago-images.de / RAINER UNKEL
Interview

"Wir sind diejenigen, die sich kümmern": Warum Frauen nachhaltiger leben, aber stärker unter der Klimakrise leiden

07.03.2021, 11:4808.03.2021, 19:51
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Der Klimawandel betrifft uns alle, jeden einzelnen von uns. Doch der globale Süden leidet schon heute deutlich stärker unter den Folgen der Erderwärmung als wir in den klimatisch gemäßigten Breitengraden. Und nicht nur geografisch betrachtet gibt es Unterschiede – auch die Geschlechter werden unterschiedlich hart von den Folgen des Klimawandels getroffen: Frauen sterben häufiger bei Klimakatastrophen und haben auch stärker mit den langfristigen Folgen der Erderwärmung zu kämpfen.

Auch hier in Europa sind die Folgen des Klimawandels für Frauen gravierender als für Männer, sagt Bettina Metz. Im Interview mit watson erklärt die Geschäftsführerin von UN Women Deutschland, was der Kampf gegen die Klimakrise mit Feminismus zu tun hat, warum Frauen nachhaltiger leben und am Ende trotzdem benachteiligt werden und was getan werden muss, damit der Klimawandel die bestehende Diskriminierung zwischen den Geschlechtern nicht weiter verstärkt.

"Frauen interessieren sich mehr für die Umwelt, achten mehr auf Mülltrennung, kaufen im Supermarkt eher das umweltfreundlichere Bio-Produkt ohne Plastik."

watson: Frau Metz, wenn wir über die Klimakrise sprechen, dann fallen oft Namen wie Greta Thunberg oder Luisa Neubauer. Ist es Zufall, dass die Köpfe von Fridays for Future vornehmlich weiblich sind, oder engagieren sich Frauen tatsächlich stärker für den Klimaschutz?

Bettina Metz: Ich freue mich sehr, dass die jungen Frauen so durchstarten – beim Kampf gegen die Klimakrise, aber auch generell. Junge Frauen setzen sich in der Politik, beim Umweltschutz, im Feminismus und bei allen anderen wichtigen Themen ein, ganz nach dem Motto: "Die Welt steht uns offen, wir können alles" – das finde ich super positiv. Die jungen Frauen heute sind aktiver und selbstbewusster als meine Generation es im Alter zwischen 20 und 30 war. Es herrscht Aufbruchstimmung.

Ist das also eine Frage des Alters oder leben Frauen auch unabhängig davon nachhaltiger und umweltbewusster?

Ja, sie interessieren sich mehr für die Umwelt, achten mehr auf Mülltrennung, kaufen im Supermarkt eher das umweltfreundlichere Bio-Produkt ohne Plastik.

Woran liegt das?

Das liegt an unserer Erziehung und an Rollenzuschreibungen. Frauen wurden häufig als fürsorgliche Menschen erzogen, wir sind diejenigen, die sich kümmern. Während Männer eher an sich selbst denken, verspüren Frauen oft mehr Verantwortungsbewusstsein gegenüber ihrer Familie, aber auch gegenüber der Umwelt. Zudem fühlen sich viele Frauen noch immer für den Haushalt zuständig, auch das liegt an der Sozialisierung. So ist es am Ende die Frau, die neue Haushaltsgegenstände anschafft und überlegt, wie nachhaltig diese sein sollen. Das ist auch nicht die Schuld der Männer – warum sollten sie sich mit solchen Dingen beschäftigen, wenn andere es tun?

Frauen leben also umweltbewusster – es heißt aber immer wieder, dass sie stärker von den direkten Folgen des Klimawandels betroffen sind.

Wir reden hier nicht von den Frauen an einer deutschen Uni, sondern von solchen, die mit Umweltkatastrophen und Klimaveränderungen zu kämpfen haben. Sie müssen mit Flut, Starkregen und heftiger Sonne klarkommen, haben aber keine Entscheidungsbefugnisse, wie auf Krisen reagiert werden sollte. Sie sind nicht an Katastrophenschutzplänen beteiligt und niemand fragt sie, was für sie wichtig wäre.

"Klimabedingte Ernteausfälle treffen vor allem Frauen."

Ist das der Grund, warum bei Naturkatastrophen oft mehr Frauen sterben als Männer? Beim Tsunami 2004 im Indischen Ozean gab es viermal so viele weibliche Todesopfer wie männliche.

Ja, sie sind bei Überflutungen und Tsunamis diejenigen, die zuletzt die Häuser verlassen. Weil sie sich um pflegebedürftige Angehörige kümmern, die sie nicht zurücklassen können. Oder bei Überflutungen, weil sie wirtschaftlich schlechter gestellt sind und kein Geld haben, um zu fliehen.

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Bei Naturkatastrophen sind häufig überdurchschnittlich viele Frauen unter den Opfern – so auch beim Tsunami an Weihnachten 2004 im Indischen Ozean, der 227.898 Todesopfer forderte.Bild: www.imago-images.de / bJim Holmes

Gibt es auch langfristige Folgen?

Klimabedingte Ernteeinbußen treffen vor allem Frauen: In der Landwirtschaft arbeiten weltweit betrachtet 70 Prozent Frauen, sie besitzen aber nur zehn Prozent der Anbauflächen. Die Nahrungsunsicherheit hat gesundheitliche Folgen in der Schwangerschaft und im Alter. Bei Katastrophen und Krisen verzeichnen wir außerdem immer auch einen Anstieg von Gewalt. Dann nimmt beispielsweise die häusliche Gewalt zu und Mädchen werden früher verheiratet.

Woran liegt das?

Mädchen werden früher verheiratet, weil Eltern sie versorgt wissen wollen und so eine Person weniger ernähren müssen. Diese Ausweglosigkeit ist auch ein Auslöser für Gewalt gegenüber schwächeren Familienmitgliedern.

Wir haben jetzt vor allem über die Folgen für Frauen im globalen Süden gesprochen beziehungsweise in Regionen, die schon jetzt stark unter den Folgen des Klimawandels leiden. Trifft die Klimakrise auch in Europa Frauen härter als Männer?

Ja, hier merken wir das allerdings eher an den gesundheitlichen Folgen. Die Folgekosten des Klimawandels werden auf alle privaten Haushalte umgelegt und treffen so die Menschen mit einem geringeren Einkommen stärker – und das sind eben häufiger Frauen. Auch von gut gemeinten Maßnahmen wie einem höheren Strompreis werden sie stärker negativ getroffen.

Wird die bestehende Diskriminierung also durch den Klimawandel verstärkt?

Auf jeden Fall, da an wichtigen Entscheidungen zu wenig Frauen beteiligt sind. Momentan sitzen im Bundestag etwa 30 Prozent weibliche Abgeordnete – in der letzten Legislaturperiode waren es noch 36 Prozent. Frauen sind also bei vielen Entscheidungen, die sie betreffen, nicht durchsetzungsfähig. Dabei treffen Frauen oft andere Entscheidungen als Männer.

Bettina Metz ist Politikwissenschaftlerin und seit 2013 Geschäftsführerin bei UN Women Nationales Komitee Deutschland. Die Einheit der Vereinten Nationen engagiert sich für die Gleichstellung der Gesc ...
Bettina Metz ist Politikwissenschaftlerin und seit 2013 Geschäftsführerin bei UN Women Nationales Komitee Deutschland. Die Einheit der Vereinten Nationen engagiert sich für die Gleichstellung der Geschlechter, für Frauenrechte, für die Beendigung der Gewalt gegen Frauen und für die Beseitigung jeder Form der Diskriminierung.bild: privat

Inwiefern?

Die Bedürfnisse von Frauen werden von Männern nicht immer berücksichtigt. Gerade in der Coronapandemie zeigt sich, dass Länder mit weiblicher Führung viel besser durch die Krise kommen als solche mit männlichem Oberhaupt, die häufig martialisch vom Kampf gegen Corona gesprochen haben. Oder, wie Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, vom "Krieg" gegen das Virus.

"Frauen sind an wichtigen Entscheidungen zu wenig beteiligt."

Was machen Frauen besser?

Sie verschaffen sich einen besseren Überblick, beziehen mehr Standpunkte mit ein und treten vor allem empathischer auf. So können sie in der Bevölkerung besser für die Maßnahmen gegen das Virus werben.

Brauchen wir auch beim Kampf gegen den Klimawandel mehr weibliche Entscheidungsträger und eine geschlechtersensiblere Politik?

Wir brauchen Parität in den Parlamenten und ein ausgewogenes Verhältnis der Geschlechter nicht nur in der Klimapolitik. Wir brauchen auch eine feministische Außenpolitik und eine feministische Gesundheitspolitik – sonst werden die Bedürfnisse von der Hälfte der Bevölkerung nicht berücksichtigt. Wir brauchen eine Politik, die darauf achtet, dass kein Geschlecht benachteiligt wird. Dass geschlechtersensible Daten erhoben werden, damit Entscheidungen getroffen werden können, die allen gleichermaßen nutzen.

Sind wir da auf einem guten Weg?

In der Klimapolitik sehe ich uns auf keinem guten Weg – schauen Sie sich den Wald an, die Unmengen an Plastik, den CO2-Ausstoß. Auch in Sachen Feminismus geht es viel zu langsam voran. Meine Mitstreiterinnen und ich dachten vor 20 Jahren, die Strukturen ändern sich viel schneller und ich müsste heute nicht mehr mit Ihnen über solche Themen sprechen. Wenn ich aber an junge Frauen denke wie die, die sich bei Fridays for Future und anderen Organisationen engagieren, dann bin ich sehr optimistisch. Wenn wir uns zusammentun, ältere und jüngere Frauen, dann können wir richtig etwas bewirken.

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