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Bill Gates will den Klimawandel stoppen: "Einzig vernünftiges Ziel ist die Null"

191118 -- SEATTLE U.S., Nov. 18, 2019 -- Bill Gates, co-chair of the Bill & Melinda Gates Foundation, receives an exclusive interview with Xinhua in Seattle, the United States, on Nov. 13, 2019. C ...
Bill Gates will selbst zwei Milliarden Dollar in Startups und Projekte im Kampf gegen den Klimawandel investieren. Bild: www.imago-images.de / Qin Lang
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"Müssen Katastrophe verhindern": Bill Gates will weltweite Emissionen auf null senken – mit diesen Innovationen

18.02.2021, 17:1118.02.2021, 19:53
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Der Klimawandel ist wie eine Badewanne. Langsam läuft sie voll Wasser, Zentimeter für Zentimeter steigt es an, selbst, wenn aus dem Hahn nur noch ein dünnes Rinnsal tröpfelt. Irgendwann reicht ein einzelner Tropfen aus, um sie zum Überlaufen zu bringen und das ganze Badezimmer zu überschwemmen.

"Das ist die Katastrophe, die wir verhindern müssen", schreibt Bill Gates in seinem neuen Buch. Mit diesem will der Microsoft-Gründer nicht weniger als die Klimakatastrophe verhindern.

Wie das gehen soll? Indem wir unsere Emissionen nicht nur reduzieren, sondern eliminieren. "Das einzig vernünftige Ziel ist die Null", schreibt Gates. "Um die Erderwärmung zu stoppen und die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels zu verhindern – und diese Folgen werden verheerend sein –, müssen die Menschen aufhören, der Atmosphäre Treibhausgase zuzuführen."

Konkret bedeutet das: Von den 51 Milliarden Tonnen Treibhausgasen, die die Weltbevölkerung jedes Jahr in die Atmosphäre bläst, darf nichts übrig bleiben. Die reichsten Länder der Welt, die gleichzeitig die größten Emittenten sind, sollen dieses Ziel bis 2050 erreichen, die anderen Länder dann nach und nach folgen. Einzelne Länder wie die USA, China, Japan und Südkorea haben auch bereits angekündigt, bis Mitte des Jahrhunderts klimaneutral werden zu wollen. Nur: Einen konkreten Plan, wie das gelingen soll, haben sie nicht, bemängelt Gates.

Klimawandel könnte tödlicher als Covid werden

Dabei wäre genau das dringend nötig. Schließlich ist die Temperatur seit Beginn des Industriezeitalters schon um mindestens ein Grad gestiegen. Wenn wir unsere Emissionen nicht reduzieren, rechnen Experten bis Mitte dieses Jahrhunderts mit einer Erwärmung um 1,5 bis 3 Grad, bis Ende des Jahrhunderts um 4 bis 8 Grad. "Spätestens Mitte des Jahrhunderts könnte der Klimawandel ebenso tödlich sein wie Covid-19, und bis zum Endes des Jahrhunderts könnte er fünfmal so tödlich sein", schlussfolgert Gates.

Denn wenn die Badewanne einmal übergelaufen ist, bedeutet das im Fall der Klimakrise nicht nur nasse Füße und der Griff zum Wischmopp. Sondern heftigere Stürme, Dürren und Waldbrände, steigende Meeresspiegel, Probleme bei der Nahrungsmittelversorgung, ein Rückgang der Artenvielfalt, eine Ausbreitung von Krankheiten aufgrund der Ausbreitung von Moskitos in neuen Lebensräumen. So weit, so bekannt.

Um diese Szenarien vollständig zu verhindern, ist es wohl zu spät. Möglichst gering halten kann man ihre Folgen aber. Dabei setzt der einst reichste Mann der Welt, der sich zu seiner Liebe zu Cheeseburgern bekennt und mit seinem Privatjet um die Welt fliegt, wenig verwunderlich nicht (nur) auf die Verringerung des persönlichen ökologischen Fußabdrucks, sondern vor allem auf Innovationen und technischen Fortschritt:

"Ganz so, wie wir im Kampf gegen das neuartige Coronavirus neue Tests, medizinische Behandlungsverfahren und Impfstoffe brauchen, brauchen wir auch im Kampf gegen den Klimawandel neue Tools: emissionsfreie Verfahren, um Strom zu erzeugen, Güter zu produzieren, Landwirtschaft zu betreiben, Gebäude zu heizen und zu kühlen und um Menschen und Produkte rings um die Welt zu transportieren."

Gleichzeitig brauche es Innovationen, damit sich Menschen im globalen Süden an den Klimawandel anpassen können. Dass das nicht einfach wird, räumt Gates ein. Schließlich brauchen wir für unseren Alltag nicht nur immer mehr Energie. Wir werden auch immer mehr Menschen.

Atomkraft als Energiequelle der Zukunft?

Wie diese Innovationen aussehen sollen, die unseren ökologischen Fußabdruck komplett eliminieren? Dafür schlüsselt Gates zunächst auf, wie die jährlich ausgestoßenen 51 Milliarden Tonnen am Emissionen zustande kommen. 31 Prozent der Treibhausgase entstehen durch Industrieproduktionen, 27 Prozent durch die Stromversorgung, 19 Prozent durch die Landwirtschaft, 16 Prozent durch Transport und Verkehr und sieben Prozent durch Kühlen und Heizen. Und dann nimmt sich Gates jeden Punkt einzelnen vor.

Bei der Stromversorgung weist er auf die Probleme mit intermittenten Energiequellen wie Sonne und Wind hin, die nicht rund um die Uhr Strom erzeugen. Um etwa Solarstrom oder Windenergie von einem Ort an den nächsten zu transportieren, beteiligt sich Gates zwar an Projekten zur Berechnung und Errichtung von Hochspannungsleitungen. Und auch für Innovationen zur besseren Speicherung von Energien bricht Gates eine Lanze. Gleichzeitig klappt aber auch ein besonders in Deutschland umstrittenes und eigentlich schon geschlossenes Buch wieder auf: Atomkraft. "Sie ist die einzige CO2-freie Energiequelle, die zuverlässig und rund um die Uhr elektrischen Strom liefern kann, zu jeder Jahreszeit und fast überall auf der Welt, und die nachgewiesenermaßen im großen Maßstab funktioniert", schreibt Gates dazu.

Für diese These gibt es allerdings direkt Gegenwind. Die Umweltökonomen Claudia Kemfert und Christian von Hirschhausen schreiben im "Handelsblatt", dass sich Gates gleich mehrfach irre: "Es ist keine geniale Idee, Atomenergie aus der Mottenkiste zu holen. Sie ist für den Kampf gegen den Klimawandel ungeeignet."

Effizientere Kühe und elektrische Autos

Auch zur Reduktion von Treibhausgasen in anderen Bereichen lautet Gates Lösung: Innovationen, Innovationen, Innovationen. Beispielsweise, wenn es darum geht, in der industriellen Produktion möglichst viele Prozesse zu elektrifizieren oder verbliebene Emissionen mithilfe von CO2-Ausscheidungen einzufangen.

Oder in der Lebensmittelproduktion, bei der Gates nicht auf den Verzicht von Fleisch setzt, sondern eher auf effizientere Düngemittel, Züchtungen, die zu einer Produktionssteigerung und weniger Methanausstoß bei Rindern führen, und auf Fleisch aus dem Labor. Die Viehzucht zu beenden, hält Gates dagegen für keinen probaten Weg. "Das Argument hat seinen Reiz, aber ich halte es nicht für sehr realistisch." Der Fleischkonsum sei zu stark in der menschlichen Kultur verankert.

Für umweltbewusst lebende Menschen, die keine tierischen Produkte konsumieren, auf Flugreisen verzichten und Second Hand shoppen, muten Vorschläge eines Mannes, der weiterhin Fleisch isst und mit dem Privatjet zur Klimakonferenz fliegt, seltsam an. Gates beteuert zwar, inzwischen nachhaltiges Kerosin zu kaufen und seine Emissionen zu kompensieren – 8 Millionen Dollar gebe er dafür aus, sagte er "Zeit Online". Aber: "Mir ist durchaus bewusst, dass ich kein idealer Botschafter für die Mission gegen den Klimawandel bin. Die Welt leidet nicht gerade unter einem Mangel an reichen Männern, die große Ideen haben für das, was andere Leute tun sollten, oder die glauben, dass jedes Problem durch Technologie gelöst werden könne."

Ideen für Technologien hat Gates trotzdem, auch im Verkehrssektor. "Wir sollten die Menschen in der Tat motivieren, sich anders fortzubewegen – zu Fuß, mit dem Rad, in Fahrgemeinschaften." Aber wer weniger Sprit verbraucht, verbraucht eben immer noch Sprit. Neben effizienteren Motoren geht es deshalb nicht ohne die Umstellung auf Elektroantrieb und alternative Kraftstoffe, schlussfolgert Gates:

"Die Lösung für ein derart komplexes Problem lässt sich fast nie auf einen einzigen Satz reduzieren. Aber beim Verkehr ist die CO2-freie Zukunft im Grunde wie folgt darstellbar: Elektroantrieb für alle Fahrzeuge, bei denen dies möglich ist, und billige alternative Kraftstoffe für den Rest."

Staaten sollen Forschung fördern

Am Rande spielen bei Gates' Plan auch Anpassungen an den Klimawandel und der eigene Beitrag zum Klimaschutz eine Rolle. Schließlich geht die Umstellung auf null Emissionen nicht von heute auf morgen und auch nicht von heute auf übermorgen. Besonders an politische Entscheidungsträger appelliert Gates dabei – sie sollen die Weichen für die Dekarbonisierung stellen. So fordert Gates eine Verfünffachung staatlicher Forschungsinvestitionen in saubere Energien und andere Klimainnovation innerhalb des nächsten Jahrzehnts. Nach seiner Schätzung wären das mindestens 110 Milliarden Dollar jährlich.

Den einzelnen Verbraucher in die Verantwortung zu nehmen, sieht er dagegen nicht als die Lösung des Problems. "Natürlich könnten die reichen Länder die Einheiten reduzieren, die sie verwenden: Sie könnten kleinere Autos bauen oder kleinere Häuser. Und wie Sie sagen: Auch ich könnte mein Verhalten ändern", so Gates im "Zeit"-Interview. "Aber das ist auf keinen Fall ein Weg zur Null. Die Weltbevölkerung wächst. Und deshalb muss man all diese Leistungen mit null multiplizieren." Am Ende kann es ein einzelner Tropfen sein, der die Badewanne zum Überlaufen bringt.

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