Wie schlecht geht es Nord- und Ostsee wirklich? Laut Greenpeace sehr schlecht.Bild: E+ / Andrey Danilovich
Nachhaltigkeit
09.07.2020, 19:1517.08.2020, 18:12
Den Ökosystemen in Nord- und Ostsee geht es schlechter denn. Das geht aus einem aktuellen Report der Umweltorganisation Greenpeace hervor. "Unsere Meere werden geplündert, zerstört und
verschmutzt, nur für den kurzfristigen Profit – mit drastischen
Folgen für die Artenvielfalt und letztlich für uns alle", sagte
Greenpeace-Meeresbiologe Thilo Maack. Nach Angaben der Organisation
schwinden die Bestände von Dorsch und Hering in der Ostsee.
Deutschlands einzige Walart, der Schweinswal, sei stark gefährdet.
Greenpeace will am Donnerstagabend mit dem Aktionsschiff "Beluga II" zu einer Tour auf Nord- und Ostsee aufbrechen, um den Zustand der Meeresgebiete zu dokumentieren. "Deutschland hat beim Schutz der Meere total versagt", sagte Greenpeace-Experte Maack.
Das Greenpeace-Schiff "Beluga II" bei einer Aktion in Bonn.Bild: imago stock&people / CoverSpot
Um die Meere zu retten, müsse es echte Schutzgebiete geben. Den zehn Meeresschutzgebieten, die Deutschland in seiner Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) vor mittlerweile 15 Jahren ausgewiesen habe, fehle bis heute jegliches Management, monierte der Report. In den Schutzzonen der Nord- und Ostsee sowie im Nationalpark Wattenmeer seien immer noch die zerstörerische Fischerei mit Grundschleppnetzen und Stellnetzen erlaubt, auch die Ausbeutung von Öl oder Sand- und Kiesabbau, kritisierte Greenpeace weiter.
Greenpeace-Report sorgt auch für Kritik
Christopher Zimmermann, der Direktor des staatlichen Thünen-Instituts für Ostseefischerei, sagte dagegen: "Es geht den Ökosystemen in Nord- und Ostsee im Gegenteil
deutlich besser als vor 30 Jahren." Es stimme nicht, dass der Fischereidruck
unaufhörlich ansteige. Einige Aussagen des Berichtes sind nach
Meinung von Zimmermann verzerrt, weil die Organisation mit
dramatischen Aussagen den Druck erhöhen wolle. Zimmermann zufolge
geht es in der Ostsee derzeit einem von zwei Dorschbeständen
(Ostdorsch) und einem von vier Heringsbeständen (Westhering) schlecht
oder sehr schlecht. Bei beiden Beständen spielten die veränderten
Umweltbedingungen die größere Rolle. "Wenn man es sich dann im Detail anguckt, sieht man, es ist
eigentlich viel komplizierter", so Zimmermann, der gleichzeitig die Umweltschützer kritisiert:
"Die Umweltverbände tragen Mitschuld daran, dass der Prozess so schleppend verläuft, weil sie zum Beispiel Forderungen stellen, die einfach nicht konsensfähig sind."
Christopher Zimmermann
Umweltverbände erzeugten gerne den Eindruck, dass Fischerei
grundsätzlich alles kaputt mache. Für jedes Schutzgebiet müsse sich
aber individuell angeschaut werden, was dort erlaubt werden könne und
was nicht.
Kritik am Greenpeace-Report kam auch vom Deutschen
Fischerei-Verband in Hamburg. "Es ist nicht zutreffend, dass es kein
Management gibt", sagte Generalsekretär Peter Breckling. Es gebe
unter anderem Naturschutzverordnungen, Raumordnung oder
Nationalparkgesetze im Wattenmeer. "Fischerei in Schutzgebieten kann
weiter laufen, weil sie nicht 'zerstörerisch' ist."
Ein Fischkutter auf dem Meer zwischen Deutschland und den Niederlanden.Bild: www.imago-images.de / AGAMI/R. de Haas
Greenpeace zieht dagegen im Report das Fazit, dass Deutschland alle selbst
gesetzten Ziele verpasst habe. "Während Deutschland in der
öffentlichen Wahrnehmung hierzulande, aber auch international als
Vorreiter in Sachen Meeresschutz gilt, hält dieser Eindruck einem
Faktencheck nicht stand", heißt es im Report. Greenpeace-Experte Maack erklärt:
"Im Kampf gegen die Klimakrise und das Artensterben sind wir besonders auf gesunde Meere als Verbündete angewiesen."
Thilo Maack
"Sie stabilisieren das
Weltklima, haben rund 90 Prozent der atmosphärischen
Treibhausgaswärme aufgenommen und rund 30 Prozent des
menschengemachten CO2 gespeichert."
Am Mittwoch hatte eine Antwort des Bundesverkehrsministeriums die
Erwärmung von Nord- und Ostsee aufgezeigt: Die Nordsee hat sich im
Zeitraum zwischen 1969 und 2017 unter Berücksichtigung der mittleren
Oberflächentemperatur um 1,3 Grad Celsius erhitzt. Das geht aus einer Antwort auf eine schriftliche Frage der Parlamentarischen
Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion, Steffi Lemke, hervor.
In der westlichen Ostsee wurde demnach seit 1982 ein
Temperaturanstieg von 0,6 Grad pro Dekade gemessen, das heißt um
mindestens 1,8 Grad. Wenn sich der Temperaturanstieg fortsetze,
drohten in beiden Meeren massive Veränderungen der Meeresumwelt,
sagte Lemke.
(lau/dpa)
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