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Mesut Özil: Rapper MC Smook erklärt, was in Deutschland falsch läuft

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Bild: collage:facebook.com/mcsmook, imago sportfotodienst
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"Scheiß auf Länderzuweisung": Rapper MC Smook erklärt uns, was in Deutschland schief läuft

24.07.2018, 13:0025.07.2018, 12:54
Dominik Sliskovic
Dominik Sliskovic
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Der deutsche (Ex-)Nationalspieler Mesut Özil spricht von Rassismus und Ressentiments aufgrund seiner türkischen Abstammung – und nicht wenige Menschen fragen sich: Was läuft bloß falsch in Deutschland 2018?

Einer der diese Frage auf ganz eigene Art zu beantworten versucht, ist MC Smook. Der Musiker aus Essen war früher Teil der Cloud-Rap-Crew „Glo Up Dinero Gang“ um Money Boy. Heute macht er sich vor allem als Deutschlands wohl bissigster Satire-Rapper einen Namen. 2016 zerlegte er im achtminütigen „Wähl nicht AfD“ die Rechtspopulisten mit Lines wie „Kreuz für AfD ist so 1933“ und „Du kannst nur hetzen, aber Yung Flüchtling Beats bauen“. Seitdem erhält Smook, der übrigens Smoke ausgesprochen wird, regelmäßig Post von AfD-Fanboys und –girls mit Drohungen und „Vaterlandverräter“-Beleidigungen.

MC Smook und Freunde vernichten die AfD...

Pünktlich zur diesjährigen Fußball-Weltmeisterschaft gelang MC Smook ein neuer Coup: Unter dem Slogan „Schwarz-Gelb-Rot, ein wahrer Patriot“ brachte er ein exklusives Deutschland-Fan-Trikot mit belgischem Flair auf den Markt.

Der „kosmopolitische Witz“, so Smook im Gespräch, sollte Kritik am Fußballpatriotismus nehmen, der sich zu den großen Turnieren über das Land legt:

„Die Menschen haben früher Grenzen gebaut, zwischen Deutschland, Belgien, Frankreich und so weiter, die durch die Globalisierung und die verschiedenen Kulturen, die sie mit sich bringt, immer mehr verschwimmen. Dieses Modell von Grenzen, Flaggen und Nationen passt einfach nicht mehr ins 21. Jahrhundert und in die Gesellschaft, in der wir leben. Durch die Farbenvertauschung wurde der Patriotismus der Fußballfans pervertiert. Das fand ich ganz nice.“

Nun mischt Smook, der während der WM als MC Fußball die Rolle des überzeichneten, patriotischen Fußballfans gab, auch in der Özil-Debatte mit – wenn auch eher zufällig: Das Cover seiner am Freitag erscheinenden Single „Alberner Alman“ ziert ein Foto, das Angela Merkel bei der Umarmung mit Özil zeigt.

„Das Cover ist gestern Nacht als Reaktion auf die neuesten Entwicklungen entstanden. Das bricht die ganze Özil-Geschichte auf ein Bild herunter: Scheiß doch auf solche Zuweisungen wie Deutscher oder Türke. Es zählt doch der Mensch.“

Smook weiter: „Der Track ist lange vor dem Bild mit Erdogan geschrieben worden, hat aber einige Zeilen, die dieses Thema perfekt abrunden: „Scheiß auf Länderzuweisung, ja/Ich bin ein Mensch und das reicht schon, ja/Dreh die Flagge falschrum, bra/Keine Zeit zur Verfeindung, nah.“

Sprechen wir hier also mit einem verlachten, gesellschaftlichen Visionär? Smook schmunzelt, holt Luft und versucht, uns zu erklären, warum „Erdogate“ perfekt in unsere kaputte Zeit passt.

„Das Thema ist sehr schwer zu überblicken, weil eine Schlagzeile die nächste jagt. Obwohl Özil sich bereits wiederholt mit Erdogan getroffen hatte, wurde es zu solch einem großen Thema gemacht. Man muss es so betrachten: Es ist immer schwierig, wenn sich Spitzen des Sports mit solchen fragwürdigen Herrschern treffen. Natürlich ist es menschenunwürdig, was gerade in der Türkei abgeht und kann nicht unsere Werte vertreten – und damit meine ich nicht „unsere deutschen“, sondern unsere demokratischen. Niemand würde beispielsweise Angela Merkels Rücktritt fordern, wenn sie sich auf diplomatischen Parkett mit Erdogan trifft. Bei Özil und Gündogan war es das Umfeld des Treffens, das es zum gefundenen Fressen für einige Nachrichtenportale machte.“

Auch Smook sieht eine Mitschuld bei einigen Medien, die Özil in seinen Statements scharf anging:

„Einige Meinungsmacher und Journalisten wünschen, dass sie es sind, die darüber entscheiden, ob jemand deutsch genug ist, um für den DFB zu spielen. Deutschland ist ein so großes Land, mit so diversen Bevölkerungsgruppen und trotzdem glauben Zeitungen wie die Bild, sich als Konsens der Gesellschaft darstellen zu können. Bierhoff und Grindel hat man angemerkt, dass sie sich durch die Berichterstattung sehr stark haben verunsichern lassen, obwohl es eigentlich ihr Job war, sich schützend vor den Spieler zu stellen.“

Ein neues Zeitalter des Rassismus in Deutschland – das Özil anklagt und dass ihn dazu bewegt, vielleicht nie wieder das weiße Trikot mit dem Bundesadler zu tragen – sieht Smook von der AfD begründet.

„Die Personen, die mich bei Facebook als Vaterlandsverräter beschimpfen, sind dieselben, die nun gegen Mesut Özil wettern. Sie stellen ihn als Sündenbock eines deutschen Versagens hin, nur, weil er die Nationalhymne nicht singt. Es ist so hohl, wenn daran erklärt wird, dass es in der Nationalmannschaft kein Zusammenhalt gebe. Sie machen sich die Welt durch ihr Denken so einfach, so trivial, so plakativ.“

Dass sich Özil öffentlichkeitswirksam gegen die seiner Ansicht nach von DFB-Präsidenten Reinhard Grindel ausgehende Ausgrenzung wehrt, bewundert Rapper MC Smook: „Mit Grindels hervorgeholten Multikulti-Zitat von 2004 hat er ihn schon ordentlich gedisst.“

Doch wie sieht es aus, wenn Kids mit Migrationshintergrund Deutsche mit vermeintlich diffamierenden Begriffen wie „Alman“, „Kartoffel“ oder „Arier“ belegen? Ist das noch Sprachwitz oder schon Rassismus? Smook hat seine Probleme mit der Formulierung einer spruchreifen Antwort.

„Der Alltagsrassimus, den Özil zu spüren bekommt, ist weiterhin ein Problem der Minderheiten – und Deutsche sind in Deutschland beileibe keine Minderheit. Ich kann verstehen, wenn man solche Bezeichnungen als Beleidigung auffassen kann. Ich nehme mich da aber lieber selbst als Alman auf die Schippe, bevor es jemand anderes macht.“

Özil kehrt der Nationalmannschaft den Rücken – seine Beweggründe:

Im Aufruhr um Özils Schweigen und sein Schweigenbrechen, der Empörung über die Kritik an der Integration von Migrantenkindern und dem Vorwurf des Rassismus erkennt MC Smook ein belebendes Element für den deutschen Patriotismus-Diskurs, in seinem Fan-Trikot mit der verkehrten deutschen Flagge gar den Anfang eines „Movements“, wie er es nennt.

„Indem wir unserer nationalen Identität alle etwas lockerer nehmen – und sei es, indem wir mit einem solchen Shirt gegen den WM-Patriotismus-Wahnsinn protestieren – können wir spaltendes Schubladen-Denken aufbrechen und dem Nationalismus ein ganzes Stück entgegenwirken.“

Der Satire-Rapper MC Smook, dieser „alberne Alman“ aus Essen, schwingt sich also zum moralischen Vorbild auf, das eine Generation im Rechtsruck „refreshen“ will. Er selbst glaubt zumindest ganz fest daran: „Satire kann einiges auslösen.“

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