Wer schon mal eine langwierige Sportverletzung hatte, kennt es wahrscheinlich: Es ist oft schwer, 100 Prozent Leistungsfähigkeit und die eigene Wettkampfform zurückzuerlangen. Das kann sehr frustrierend sein.
Bayern-Star Leroy Sané steckt aktuell in so einer Situation. Der Sommer-Neuzugang von Manchester City ist nach einer Knieverletzung noch auf der Suche nach seiner Verfassung – und daher momentan nur Joker bei Trainer Hansi Flick. In der Bundesliga hat er nach zehn Spieltagen bisher nur 40 Prozent der möglichen Spielminuten absolviert, in der Champions League nach fünf Runden 30 Prozent.
Im August 2019 hatte sich der deutsche Nationalspieler einen Kreuzbandriss im rechten Knie zugezogen. Bei der 1:4-Pleite der Bayern gegen Hoffenheim Ende September dieses Jahres verletzte sich der 24-Jährige erneut an der Kapsel im selben Knie.
Ein Kreuzbandriss, das ist bei Fußballern so etwas wie die Horrornachricht schlechthin. Nicht nur, weil die Ausfallzeit mindestens um die sechs Monate beträgt. Auch das Risiko für Nachverletzungen ist relativ hoch. "Die Reißfestigkeit des Kreuzbandes ist erst nach neun bis zwölf Monaten wieder gewährleistet", erklärte Athletiktrainer Jannik Kirchenkamp gegenüber watson vor rund einem Jahr.
Entsprechend vorsichtig muss man sich als Fußballer nach einer solchen Ruptur bei den ersten Gehversuchen auf dem Rasen verhalten. Beziehungsweise geht es oft gar nicht anders, weil der Kopf noch nicht das Vertrauen in den eben noch lädierten Körper wiedererlangt hat. Vor allem nach einer Knieverletzung ist das schwierig. Das Gelenk ist ein wichtiges und viel beanspruchtes Verbindungsteil im Bein: Landungen, Sprünge, Antritte, Richtungswechsel, Schüsse – kaum einen Bewegungsablauf gibt es, an dem das Knie nicht beteiligt ist.
Bis das Gelenk – und letztendlich auch fußballerisch alles – wieder rund läuft, dauert es. Auch die Zeit nach der Reha, wenn man schon längst wieder auf dem Platz steht und Pflichtspiele bestreitet, kann daher sehr hart und manchmal entmutigend sein.
Vor allem, wenn man wie Leroy Sané fast 50 Millionen Euro Ablöse gekostet hat, als Premier-League-Star zum Rekordmeister nach Deutschland kommt und die öffentliche Erwartungshaltung – und wahrscheinlich auch die an sich selbst – groß ist. Das macht die Sache für den Hoffnungsträger nicht unbedingt leichter. Im Topspiel zwischen Bayern München und RB Leipzig konnte man als Zuschauer am TV Ohrenzeuge werden, wie sehr es an ihm nagt, dass noch nicht alles klappt.
Beim nervenaufreibenden 3:3 in der Allianz Arena zwischen Rekordmeister und Emporkömmling stand Leroy Sané mal wieder in der Startaufstellung. Doch der Offensivspieler hatte gegen die Sachsen nicht seinen besten Tag im Trikot des FC Bayern.
Er versuchte zwar viel, doch entsprechend viel misslang ihm auch. Hier ein Ballverlust, da ein Stockfehler. Nach einem Diagonalball von Leon Goretzka, der Sané versprang und dann ins Aus ging, rief er:
Danach knallte er den Ball in Richtung Tribüne. Sané konnte seine Rage nicht mehr verbergen. In der Geisterspiel-Übertragung bei Sky war der Schrei deutlich zu vernehmen.
Ob Sané mit dem Frustschrei nun seinen Mitspieler, den Spielball der Bundesliga an sich oder aber die Art und Weise des Zuspiels oder die eigene vermasselte Ballannahme meinte, ist nicht geklärt. Aber er zeugt davon, wie sehr Anspruch und Wirklichkeit bei Leroy Sané aktuell noch auseinanderklaffen. Das nagt am Spielspaß.
Hansi Flick jedenfalls stärkt seinem Star den Rücken. Auch er wisse aus eigener Erfahrung, wie schwierig es sei, nach einer Verletzung zu alter Stärke zurückzufinden, erklärte er auf der Pressekonferenz vor dem Leipzig-Spiel.
Außerdem sagte Flick: "Es ist auch nicht immer ganz einfach, sich in einen neuen Verein zu integrieren. Dazu hatten wir nicht so viele Möglichkeiten, die Dinge zu trainieren, die man normalerweise in einer Vorbereitung machen kann. Das, was ich aktuell im Training sehe, ist gut. Das ist die Entwicklung, die ich sehen will."
Flick ist geduldig mit seinem Star. Am Ende ist die Frage nach der Topform auch immer relativ. Leroy Sané hat in bisher zwölf Pflichtspiel-Einsätzen für den FC Bayern München immerhin schon acht Scorerpunkte beigesteuert.
(as)