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Relegation: Ein Union-Fan erklärt, warum er nicht um jeden Preis aufsteigen will

Fussball Berlin 03.03.2017 Saison 2016 / 2017 2. Bundesliga 1. FC Union Berlin - Würzburger Kickers Union Fans mit Spruchband Scheiße, wir steigen auf

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2017 hingen die Fans bereits dieses aussagekräftige Banner auf – damals blieben sie zweitklassig. Das kann sich am Montagabend ändern. Jörg Steinberg ist skeptisch.Bild: imago/Camera 4/watson montage
Interview

Ein Union-Berlin-Fan erklärt, warum er nicht um jeden Preis aufsteigen will

27.05.2019, 12:0129.05.2019, 13:20
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Am Montagabend (20.30 Uhr/Eurosport) tritt der 1. FC Union Berlin gegen den VfB Stuttgart im Rückspiel der Relegation an. Im Hinspiel trennten sich die Clubs mit einem 2:2-Unentschieden. Damit stehen die Chancen für den Aufstieg der Berliner gar nicht schlecht. Es wäre das erste Mal in der Vereinsgeschichte, dass Union den Sprung in die Bundesliga schafft. Das löst allerdings nicht bei allen Fans Glücksgefühle aus.

Union ist anders als die anderen Vereine, behauptet zumindest Jörg Steinberg, Regisseur zweier Theaterstücke über Union und jahrelanger Anhänger der Ostberliner Mannschaft. Er hat 2008, als dem Verein das Geld fehlte, zusammen mit 2000 Fans das Stadion gebaut, war schon beim berühmten Weihnachtssingen, als man sich den Glühwein noch in Thermoskannen mitbrachte und bezeichnet den Verein als seine Familie.

Im Gespräch mit watson erzählt Steinberg von Unions Konflikt zwischen sportlichem Erfolg und der gelebten Fußball-Romantik, von seiner Sorge, im Konzert der Großen die eigenen Wurzeln zu vergessen und darüber, wie man das verhindern kann. Für ihn steht fest: Ein Aufstieg bringt auch Probleme mit sich.

watson: Du stehst dem Aufstieg kritisch gegenüber. Warum?

Jörg Steinberg: Ja, ich bin skeptisch. Denn mit dem Aufstieg in die Erste Liga wächst auch der Zugzwang, sich an die kommerziellen Umstände der Bundesliga anzupassen. Union Berlin unterscheidet sich von anderen Vereinen – wir sind eine Familie, nicht käuflich und ungemütlich ehrlich. Mir stellt sich die Frage, ob wir unseren Werten und Regeln als familiärer Traditionsverein bei einem Aufstieg treu bleiben können.

Union Ur-Gesteine:

Hauptdarsteller des Union Theaterstücks Lopez (l.) und der Regisseur und Interviewpartner Jörg Steinberg (r.)
Hauptdarsteller des Union Theaterstücks Lopez (l.) und der Regisseur und Interviewpartner Jörg Steinberg (r.)privat/Jörg steinberg

Was sind denn Deine Befürchtungen, im Falle eines Aufstiegs?

Wir Unioner haben den Verein damals gerettet, als er kurz vor der Pleite stand. Wir haben das Stadion mit unseren eigenen Händen gebaut und sind dadurch eng mit dem Verein verbunden. Früher war diese Verbundenheit sogar noch stärker – Man kannte jeden im Block und hat sich mit Handschlag begrüßt. Und jetzt ist das bei Weitem nicht mehr so, das Stadion an der Alten Försterei ist immer brechend voll. Und das ist in Ordnung – aber eben nur so lange wir, die Stadionbauer und Mitglieder, nicht von neuen Fans verdrängt werden. Und diese Gefahr birgt ein Aufstieg in die Erste Liga, es werden noch mehr Menschen kommen wollen, um sich den Ostberliner "Underdog" anzugucken.

Die Union-Theaterstücke:
Jörg Steinberg ist der Regisseur zweier Theaterstücke über den Fußballclub Union Berlin. "Und niemals vergessen – Eisern Union!" (2006) sowie "Wir werden ewig leben!" (2016) werden in Köpenick aufgeführt.
In "Und niemals vergessen – Eisern Union!" bringt er die Vereinsgeschichte und die Fankultur auf die Bühne. In dem neueren Stück dagegen wagt er einen kritischen Blick in die Zukunft des Ostberliner Vereins.

Der 1. FC Union hat mittlerweile fast so viele Mitglieder wie Plätze im Stadion – egal ob der Aufstieg gelingt oder nicht, die Alte Försterei wird bald ausgebaut, um mehr Platz zu schaffen.

Ja, natürlich muss der Verein mit der Zeit gehen. Alles andere wäre unsinnig. Wichtig ist aber, dass bei Union trotz des Wachstums der sportliche, faire Wettkampf weiterhin im Vordergrund steht und keine wirtschaftlichen Ziele. Es soll nicht darum gehen, wer das größte Stadion hat, die krassesten Spieler und am meisten Geld, sondern um die Gemeinschaft, das Zusammenkommen und um den Spaß am Spiel. Fußball ist mehr als drei Punkte vom Wochenende – deswegen finde ich einen Aufstieg auch nicht unbedingt notwendig.

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Das Stehplatz-Stadion an der Alten Försterei ist berühmt für die gute Stimmung.Bild: www.imago-images.de

Stellen wir uns vor, du wärst der Fußballgott: Würdest du Union eher in die Bundesliga aufsteigen oder den Verein in die Dritte Liga absteigen lassen?

Da muss ich ganz klar sagen: Bundesliga. Unions Kernkompetenz ist der Fußball. Es ist wichtig, dass die Mannschaft versucht, das sportliche Maximum herauszuholen. Und wenn die Jungs heute Stuttgart weghauen, dann haben sie es sich auch verdient aufzusteigen. Das sehe ich so, obwohl viele Sorgen mitschwingen.

Würde ein Verein wie der 1. FC Union der Bundesliga guttun?

Auf jeden Fall! Union wird ja auch mit Wohlwollen betrachtet, denn wir sind ein Meinungsbildner Verein, wir vertreten eine klare Position und gestatten uns auch Vielfalt. Aber wir wollen alte Werte behalten und alles, was diese Werte in Gefahr bringt, lehnen wir ab. Das bedeutet, dass wir Vereine, wie RB Leipzig, die für alles stehen, was wir nicht sind, in der Tabelle an uns vorbeiziehen lassen und nicht um jeden Preis versuchen mitzuhalten. Genauso sehe ich das auch mit der Champions League – Ich will gar nicht, dass Union da mitspielt. Denn wenn wir dorthin wollen, müssen wir unfassbare Summen für Spieler ausgeben und das passt nicht zu uns. Union braucht keine Mega-Stars, sondern ein ehrliches solides Team.

Freiwillige Helfer bei Wind und Wetter: Die Fans bei den Bauarbeiten am Stadion 2008.
Freiwillige Helfer bei Wind und Wetter: Die Fans bei den Bauarbeiten am Stadion 2008.bild: Imago/sports

Darauf zu pochen, dass sich Union vom Kommerz abgrenzt, ist aber etwas romantisiert – Jede Mannschaft der Ersten und Zweiten Liga lebt von kommerziellen Deals.

Ja natürlich. Union steckt mitten drin in der Fußballmaschinerie. Das braucht man sich nicht schönreden. Natürlich geht es auch bei Union um Wirtschaft und Geld. Und da kommen dann die Fans ins Spiel, denn wir tragen eine Verantwortung. Wir müssen dafür sorgen, dass eben nicht das Geld allein regiert. Dass die Vorschläge über die Wechselfristen und Leihspieler ernst genommen werden, dass zum Beispiel beim Pokal unterklassige Vereine ohne Diskussion und Auflagen Heimrecht haben und dass Relegationsspiele nicht nur auf Pay-TV Kanälen gezeigt werden. Es gibt unendlich viele Vorschläge, den Fußball für alle zu retten. Und da müssen wir als Fans kreativ bleiben.

Zum Beispiel?

Wie zum Beispiel als wir Unioner selbst unser Stadion ausgebaut haben, um unabhängig zu bleiben. Oder der Fan-Aufruf „Bluten für Union“, wo es darum ging, Blut zu spenden und während einer finanziellen Misere das Geld an den Verein zu geben. Aber auch das mittlerweile weltweit berühmte Weihnachtssingen, was in der Alten Försterei durch die Fans entstand, zeugt von unser Kreativität. Oder eben die Union-Theaterstücke.

Die Plakate der Union-Theaterstücke an der Alten Försterei.
Die Plakate der Union-Theaterstücke an der Alten Försterei.bild: privat/Jörg Steinberg

Ist es genau diese Fan-Initiative, die Union von anderen Vereinen unterscheidet?

Ich denke schon, ohne uns Fans würde es den 1. FC Union nicht mehr geben. Deswegen sind wir vielleicht sogar der wichtigste Teil des Vereins und das darf sich durch einen Aufstieg nicht verändern. Da müssen wir hartnäckig bleiben, Verantwortung übernehmen aber auch unserem Verein und der Vereinsspitze vertrauen. Und das tue ich, denn mit dem Grundvertrauen in den Verein sind wir bislang immer gut gefahren – und welcher Bundesligaclub kann das schon von sich behaupten?

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