Sport
Interview

Manuel Neuers Urlaubsvideo aus Kroatien: "Thompson ist viel schlimmer als Frei:Wild"

Fussball Bundesliga Saison 2019-2020 Spiel VfL Wolfsburg - FC Bayern Muenchen Deutscher Fussball Meister 2020 NEUER Manuel Torwart Team FC Bayern Muenchen Bundesliga Saison 2019-2020 Spiel VFL Wolfsbu ...
Manuel Neuer hat im Kroatien-Urlaub das Lied "Lijepa li si" des rechtsextremen kroatischen Sängers Marko Perković mitgesungen. In Kroatien ist die Ode an die Heimat sehr beliebt. Doch der Song ist nicht so harmlos, wie er scheint. Bild: SVEN SIMON/Frank Hoermann/POOL_Sportphoto_Perenyi / imago images
Interview

Neuers Urlaubsvideo aus Kroatien: "Thompson ist viel schlimmer als Frei:Wild"

16.07.2020, 14:19
Mehr «Sport»

Ein Video von Manuel Neuer kursiert seit Sonntag im Internet. Es zeigt den 34-jährigen Kapitän des FC Bayern München, wie er im Kroatien-Urlaub gemeinsam mit anderen Männern das Lied "Lijepa li si" ("Du bist schön") von Marko Perković schmettert, eine Ode an das kleine Land am Adriatischen Meer.

Das Video soll in einer Strandbar in Dubrovnik entstanden sein, mit dabei war auch Neuers Torwarttrainer und langjähriger Freund Toni Tapalovic.

Sonne, Bier, Schifferklavier und Gesang: Was nach einer Menge Spaß und ziemlich harmlos aussieht, ist leider problematisch.

Denn "Lijepa li si" ist ein Lied von Marko Perković, dem Sänger der Band Thompson, die als faschistisch eingestuft wird. Auf Thompson-Konzerten sind Hitlergrüße keine Seltenheit. In den Niederlanden, Italien und der Schweiz wurden Auftritte wegen des rechtsextremen Gedankenguts in den Liedern sogar schon verboten.

Der Journalist und Autor Krsto Lazarević hat uns genauer erklärt, was es mit der umstrittenen Band um Leadsänger Marko Perković auf sich hat, und warum die Gruppe sowie ihre Lieder so problematisch sind.

Krsto Lazarević.
Krsto Lazarević.foto: Nils Bröer
Krsto Lazarević, geboren in Tuzla, Bosnien-Herzegowina, kennt sich aus in den Ländern des ehemaligen Jugoslawiens. Der 31-Jährige lebt seit 1992 in Deutschland, hat als Korrespondent unter anderem in Belgrad und Sarajevo gearbeitet. Gemeinsam mit seinem Kollegen Danijel Majić betreibt er den Podcast "Ballaballa-Balkan" mit dem Untertitel "Polemik und Palaver aus Südosteuropa".

watson: Wer ist Marko Perković alias Thompson, und warum sind er und seine Band so polarisierend und problematisch?

Krsto Lazarević: Thompson ist eine kroatische Rockband, es ist aber vor allem der Spitzname des Sängers Marko Perković. Benannt hat er sich nach der Maschinenpistole, die er im Kroatienkrieg (1991 bis 1995, Anm.) verwendet hat. Problematisch ist er vor allem deswegen, weil er rechtsradikales Liedgut von sich gibt und Konzerte mit "Za dom – spremni!" (dt.: "Für die Heimat – bereit!") beginnt, das ist das kroatische Pendant zu "Sieg Heil". Thompson hat schon auf der Bühne Lieder gesungen, in denen die Opfer von Konzentrationslagern verhöhnt und die Täter glorifiziert werden.

Thompson concert in Slunj, Croatia 05.08.2017., Slunj, Concert - Marko Perkovic Thompson held concert in slunj on the occasion of 22nd anniversary of Victory & Homeland Thanksgiving Day, and War V ...
Marko Perković auf der Bühne.Bild: imago/Pixsell

Thompson hat deutliche faschistische Anspielungen und spielt auch mit versteckten Codes, die Band gibt sich aber in der Öffentlichkeit eher "nur" patriotisch, kann man das so sagen?

Ja. Früher in den Neunzigern war Thompson recht offen faschistisch, da hat man keinen Hehl draus gemacht. Mit der Zeit hat man stärker angefangen, es in Codes zu verstecken. Das sind aber Codes, die seine Fans verstehen. Zum Beispiel, wenn er vom Hemd singt, das er aus seinem Schrank holt und das schon sein Großvater getragen hat, weiß jeder seiner Fans, dass er damit ein Ustascha-Hemd meint. Die Ustascha waren die kroatischen Nazi-Kollaborateure im Zweiten Weltkrieg. Thompson kann sich dann hinstellen und sagen: Nein, nein, das hat nichts mit Faschismus zu tun, ich singe doch nur von irgendeinem Hemd. Doch diese Codes werden verstanden. Auch der Gruß "Za dom – spremni!", den er auf Konzerten benutzt, ist problematisch und in Kroatien eigentlich verboten. Manchmal variiert Thompson den auch, um sich so juristisch weniger angreifbar zu machen.

"Stell dir vor, jemand besingt die Schönheit Deutschlands und nennt dabei auch Südtirol und Ostpreußen."

Das Thompson-Lied "Lijepa li si", das Manuel Neuer mitgegrölt hat, ist sehr bekannt, gilt in Kroatien für manche als inoffizielle Hymne und läuft sogar vor Spielen der kroatischen Nationalelf. Bei diesem Lied heißt es, dass der Liedtext zumindest nicht so problematisch sei. Worum geht es in dem Lied und welchen Stellenwert hat das Lied in Kroatien?

Es ist ein Lied, in dem Thompson die Schönheit Kroatiens besingt und es hat durchaus problematische Stellen. Er singt zum Beispiel über die Herceg-Bosna. Das war der Name eines parastaatlichen Gebildes während des Bosnienkriegs (1992 bis 1996). Dieser Parastaat existiert nicht mehr, und die politischen und militärischen Anführer sind vom Kriegsverbrechertribunal verurteilt worden. Der Bekannteste darunter ist wahrscheinlich Slobodan Praljak, der sich nach dem Urteil in Den Haag öffentlichkeitswirksam im Gerichtssaal mit Gift umgebracht hat. Wir sprechen hier von Menschen, die wegen schwerster Kriegsverbrechen gegen die Zivilbevölkerung verurteilt worden sind. Dass Thompson diese Region in dem Lied besingt, ist ja schon mal ein klares Zeichen dafür, wo für Thompson die Grenzen Kroatiens enden.

Stell dir vor, jemand besingt die Schönheit Deutschlands und nennt dabei auch Südtirol und Ostpreußen. Thompson singt in "Lijepa li si" auch über die Neretva, der Fluss, der durch die Herzegowina fließt. Auch das ist nicht unproblematisch. Es ist ein politisches Statement, nach dem Motto: Ja, das ist die Herzegowina, aber eigentlich ist es unser Kroatien. (Der Fluss ist 225 Kilometer lang, davon liegen 203 in Bosnien und Herzegowina und nur 22 in Kroatien, Anm.).

Marko Perkovic Thompson Knin concert 05.08.2016., Croatia, Knin - Singer Marko Perkovic Thompson was the star of the show Victory for the heroes - Knin for water tower , which was held in Knin on Frid ...
Thompson-Fans auf einem Konzert. Bild: imago stock&people / Pixsell
"Es ist ein rechtsradikaler Künstler, dessen Lieder man nicht singen sollte."

Im Diskurs um das Neuer-Video heißt es momentan oft: Alle kennen das Lied in Kroatien, das wird auf Hochzeiten gesungen, das ist doch gar nicht so schlimm, habt euch mal nicht so. Was würdest du dem entgegnen?

Es ist ein rechtsradikaler Künstler, dessen Lieder man nicht singen sollte. Es stimmt, dass Thompson einer der beliebtesten Musiker in Kroatien ist. Aber es ist auch so, dass es viele Menschen in Kroatien gibt, die niemals ein Thompson-Lied mitsingen würden, weil sie keine Faschisten-Lieder singen würden. Es ist nicht so, dass jeder Kroate und jede Kroatin "Lijepa li si" mitsingt. Aber: Es ist natürlich auch nicht jeder, der seine Musik hört und seine Lieder singt, rechtsextrem.

Auf Twitter gab es auch Personen, die meinten, dass es in etwa so sei, als würde man ein Frei:Wild- oder Böhse-Onkelz-Lied mitgrölen – kann man das vergleichen?

Nein, Thompson ist viel schlimmer als Frei:Wild. Stell dir vor, Frei:Wild würde ein Konzert mit "Sieg Heil" beginnen und dann ein Lied anstimmen, das KZ-Opfer verhöhnt. Der Vergleich mit solchen Grauzonen-Bands, die mit rechtem Gedankengut kokettieren, hinkt insofern, dass Thompson viel offener rechts ist.

Ceremonial reception for Vatreni at Ban Josip Jelacic Square 16.07.2018., Croatia, Zagreb - Ceremonial reception for Vatreni at Ban Josip Jelacic Square. Croatian national football team won second pla ...
Perković (l.) und Luka Modrić: Arm in Arm bei den Feierlichkeiten nach der WM 2018. Obwohl Politiker und Teile des Verbandes gegen den Thompson-Auftritt auf der Siegesfeier waren, setzten sich Mannschaftssprecher Modrić und Coach Zlatko Dalić (r.) durch.Bild: imago sportfotodienst / Pixsell

Das Management von Manuel Neuer hat sich laut "Bild" bereits geäußert: Er habe nicht gewusst, was er da singe, er könne kein Kroatisch. Im Video ist aber zu sehen, dass er Teile des Lieds mitsingen kann. Er ist schon lange mit dem kroatisch-stämmigen Toni Tapalovic befreundet. Es gab auch 2018 schon eine große Thompson-Debatte nach Kroatiens Vizeweltmeistertitel, als das Team gemeinsam mit Perković feierte – Neuer hätte schon wissen können, wie problematisch Thompson ist, oder?

Das Management behauptet also, dass Manuel Neuer 2018 diese Riesen-Debatte nicht mitbekommen haben will, als die kroatische Nationalmannschaft gemeinsam mit Thompson aufgetreten ist? Neuer war mit seinem langjährigen kroatischstämmigen Kumpel im Kroatien-Urlaub unterwegs und will nicht mitbekommen haben, dass Thompson rechts ist? Entweder ist Neuer nicht der Schlaueste oder es ist eine Schutzbehauptung. Ich glaube, es ist eher Letzteres.

"Mal sehen, wie das in der Öffentlichkeit verhandelt wird und ob Neuer einfacher davon kommt als Özil damals."

Glaubst du, dass Manuel Neuer mit dieser Nummer besser wegkommen wird als damals Mesut Özil nach seinem Erdoğan-Foto?

Ich habe keine Glaskugel, aber man sollte diese Debatten miteinander vergleichen, und ich bin gespannt, wie sich das entwickelt. Ich habe den Verdacht, dass die deutsche Mehrheitsgesellschaft ein größeres Problem mit einem muslimischen türkeistämmigen Spieler hat, der mit Erdoğan cool ist, als mit einem blonden, herkunftsdeutschen Torwart, der Lieder eines weißen, kroatischen und rechtsradikalen Musikers mitgrölt. Mal sehen, wie das in der Öffentlichkeit verhandelt wird und ob Neuer einfacher davon kommt als Özil damals. Da lernen wir dann vielleicht auch noch ein bisschen was darüber, wie Rassismus in Deutschland funktioniert und wer wofür angegriffen wird.

Wenn Euch das Thema interessiert, haben wir noch einen Hörtipp für Euch:
Krsto und Danijel haben zur WM 2018 eine Sonderfolge von "Ballaballa-Balkan" aufgenommen, in der sie sich mit dem nationalistischen Treiben der Südosteuropäer bei der WM 2018 in Russland beschäftigen: Kroatische Spieler feiern zu Rechtsrock, der serbische Trainer will einen Schiedsrichter vor den internationalen Strafgerichtshof für Kriegsverbrechen bringen und Schweizer provozieren mit nationalistischen albanischen Symbolen.
Formel 1: Lewis Hamilton mit vernichtendem Urteil zu Mercedes

Die Formel-1-Saison für Lewis Hamilton startete in den ersten beiden Rennen enttäuschend. Einem siebten Rang in Bahrain folgte der neunte in Saudi-Arabien. Dabei hatte der 39-Jährige noch bei der Präsentation des neuen Mercedes W15 gesagt, dass er Mercedes "wieder an die Spitze" führen wolle.

Zur Story