"Big Brother" ist aus dem deutschen TV-Universum so wenig wegzudenken wie die "Tagesschau". Seit mittlerweile 19 Jahren zieht ein Dutzend Kandidaten in einen Container (oder... auf einen Campingplatz), um vor laufender Kamera die Herzen der Zuschauer für sich zu gewinnen. Oder so ähnlich. Ganz sicher bin ich mir nämlich tatsächlich nicht, wie "Big Brother" oder sein prominentes Geschwisterchen "Promi Big Brother" ablaufen – schließlich habe ich, Elisabeth, beides noch nie gesehen. Meine Reality-TV-Kenntnisse beschränken sich weitestgehend auf "Germany's Next Topmodel".
Zum allerersten Mal sitze ich an diesem Freitagabend also vor meinem Fernseher und ziehe mir "Promi Big Brother" rein. Dabei bin ich allerdings in kompetenter Gesellschaft: Meine Kollegin Helena war damals quasi live dabei, als die erste Staffel "Big Brother" zur deutschen TV-Sensation wurde. Nicht zuletzt wegen des Kult-Kandidaten Zlatko – der Helena mit seiner Teilnahme an "Promi Big Brother" 2019 heute ebenfalls vor den Bildschirm gelockt hat. Wir erleben die beliebte Einzugs-Episode dieser Staffel zusammen, doch aus völlig anderen Perspektiven – und stellen fest: Am Ende sind wir beide entnervt von dieser Sendung...
Kennt ihr George Orwells Roman "1984", aus dem das Konzept des "Big Brother" ursprünglich stammt? Vor einigen Jahren las ich ihn und stellte mir daraufhin die Frage: Wie hatte überhaupt jemand auf die Idee kommen können, ein dermaßen gruseliges, dystopisches Konzept wie den allgegenwärtigen Gesetzeshüter "Großer Bruder" für eine Reality-Show zu übernehmen?
Aber gut, im Herzen sind wir schließlich alle neugierige Voyeuristen, und wenn sich die Kandidaten dafür freiwillig meldeten, war das ihre Sache. Ich hatte dennoch nie das Bedürfnis, da mal reinzuschalten. Mir reichte meine jährliche Portion "GNTM". Mal ganz davon abgesehen, dass ich zu Beginn der "Big Brother"-Ära mit acht Jahren auch noch viel zu jung war, um auf den Hype-Zug aufzuspringen.
Jetzt war ich aber doch neugierig, und da "Promi Big Brother" von Marlene Lufen und Jochen Schropp moderiert wird, die ich aus dem "Sat1-Frühstücksfernsehen" kenne, konnte das Ganze ja so niveaulos nicht werden, oder? – Oh boy, lag ich daneben. Denn die Untiefen des deutschen Trash-TV, die sich hier offenbarten, waren schon am "PBB"-Set erkennbar.
Theresia brabbelte fröhlich vor sich hin, kommunizierte mit ihrem Murmeltier und erkundete den ranzigen Campingplatz, der ihr nun im Idealfall für zwei Wochen als Zuhause dienen sollte. Und ich nur so: Hä?
Zum Beispiel der Jürgen Trovato, der alles, was ihm nicht passt, erstmal als "schwul" bezeichnet und daraufhin auch von Youtube-Chris dafür kritisiert wird (yay, Chris!).
Und der Tobi Wegener, der "PBB" mit einer Datingshow zu verwechseln scheint (oder liege ich falsch?). Oder mit "Wünsch dir was". Wie sonst ist das zu erklären: "Ich wünsch mir von 'Big Brother' 'nen dicken, schönen Eiweißriegel. Wenn's mit de Frauen nicht klappt, dann mit de Eiweißriegel." – Ich... bitte... WAS?
Generell ist mir die "Promi"-Komponente im Sendungstitel nicht ganz klar. Wo genau sind da jetzt die Promis? Ich meine, es spricht doch für sich, dass die Kandidaten nach ihrem Einzug erstmal quasi eine Runde "Wer bin ich wohl?"-Raten spielen. "Wer ist die alte Dame?", will Tobi über Lilo wissen, während Jürgen Trovato mit seinen krassen Detektiv-Fähigkeiten prahlt: "Ich hab die alle gegoogelt." Dann erklärt Tobi mal seinen eigenen Fame: "Ich war bei 'Love Island'." Und dass das der einzige relevante Punkt auf seinem Promi-Lebenslauf zu sein scheint, sagt so einiges über den Star-Status der diesjährigen Teilnehmer aus.
Zwischen dem "Weibschen", äh, Janine und Tobi bahnt sich tatsächlich recht schnell etwas an. Von "romantisch" kann da aber keine Rede sein, und ich war selten von einer flirty Szene so abgetörnt wie von dieser: Janine und Tobi liegen Seite an Seite in ihren Schlafsäcken unter dem freien Himmel und schauen sich mehr oder weniger verliebt an, während ihre Konkurrenz alle möglichen Sex-Synonyme raushaut.
"Hämmern"? "Knattern"? Wer sein sexy Vokabular schon immer mal ein bisschen erweitern wollte, ist hier richtig! Wer sich hingegen weniger sexy Dialoge und mehr sexy Szenen erhofft hatte, wird bitter enttäuscht: Jürgen Trovato würde jegliche Erotik mit seinem lauten Gefurze übertönen. Was – zur – Hölle?
Generell sinkt das Niveau von Minute zu Minute. Plötzlich: Ein Nippelblitzer von Ginger Wollersheim, dann wird Live-Einzugs-Kandidatin Sylvia Leifheit (nie gehört) mit ihren Bildern im "Playboy" angekündigt. Sat1 weiß offenbar, wie es läuft: Sobald 22 Uhr rum ist, muss man die Leute irgendwie bei Laune halten. Und eben weil es nach 22 Uhr ist, geht das super mit nackter Haut. Kein Wunder, dass die gute Frau Leifheit erst gefühlt kurz vor Mitternacht einzieht, und auch das nur, nachdem wir uns noch einmal intensiv ihre "Playboy"-Werke ansehen dürfen.
Ja, auch der erinnert uns verdächtig ans "Dschungelcamp" – das er 2013 übrigens gewann –, und obwohl er sicher in nächster Zeit keinen Nobelpreis gewinnen wird, ist seine sonnige, naive Art doch ein Lichtblick. Ein Beispiel?
War der schon 2000 so demotiviert und völlig frei von jeglichem Enthusiasmus? Bock auf "Promi Big Brother" hat er eindeutig nicht, aber zumindest die Eier, um zuzugeben, dass es ihm dabei lediglich um das Geld geht.
100.000 Euro bekommt der Sieger der diesjährigen Staffel. Anscheinend genügend Geld, um Zlatko aus der 16-jährigen Öffentlichkeits-Abstinenz zu locken. Und so dürfen wir dem gelangweilten Zlatko in den kommenden zwei Wochen wohl nun beim Langweilen zusehen...