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Youtuberin Melina Sophie gesteht: "Schwerster Schritt war Coming-out vor mir selbst"

Melina Sophie konnte sich auf Youtube eine große Fangemeinde aufbauen.
Melina Sophie konnte sich auf Youtube eine große Fangemeinde aufbauen.Bild: Instagram/ Melina Sophie
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Youtuberin Melina Sophie gesteht: "Der allerschwerste Schritt war das Coming-out vor mir selbst"

18.03.2021, 13:3418.03.2021, 16:12
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Melina Sophie zählt zu den bekanntesten und erfolgreichsten Youtuberinnen Deutschlands. 2013 eröffnete sie ihren Kanal unter dem Namen "LifeWithMelina". Schnell begeisterte sie mit ihrem Content das Netz und konnte sich eine große Community aufbauen. Ihr 2015 veröffentlichtes Video mit dem Titel "Coming Out" wurde allein bis heute über sechs Millionen Mal aufgerufen. Damals war sie 19 Jahre alt. Nun beschreibt Melina Sophie in dem Buch "Coming Out" von Autor und Journalist Sebastian Goddemeier neben 17 anderen Prominenten, wie sie damit umgegangen ist.

Im Interview mit watson erklärt die 25-Jährige, wie es für sie war, erstmals öffentlich über ihre Sexualität zu sprechen, offenbart, welche Reaktionen sie erfahren hat und sagt, warum es heutzutage nach wie vor wichtig ist, sich besonders für die LGBTQ+-Szene stark zu machen.

Sebastian Goddemeier hat für das Buch "Coming Out" (Link zum Buch bei Amazon) mehrere Stars porträtiert.
Sebastian Goddemeier hat für das Buch "Coming Out" (Link zum Buch bei Amazon) mehrere Stars porträtiert.Bild: Münchner Verlagsgruppe

watson: In dem Buch "Coming Out" heißt es, dass lesbische Frauen unterrepräsentiert sind, weil sich nur wenige von ihnen zurückgemeldet haben – und wenn mit einer Absage. Woran meinst du liegt das?

Melina Sophie: Ich war überrascht, als ich das gelesen habe, weil mir das gar nicht bewusst war. Das ist sehr erschreckend und auch traurig. Ich finde es sehr schade, dass sich nicht so viele lesbische Frauen gemeldet haben, um bei dem Buch mitzuwirken. Ehrlich gesagt kann ich mir die Gründe gar nicht wirklich vorstellen, außer, dass jetzt immer noch die Angst vor Ablehnung besteht. Ich denke, das hängt wirklich damit zusammen, dass die Diskriminierung heute noch sehr stark ist. Wir leben zwar im Jahr 2021, aber die Ablehnung ist einfach immer noch sehr groß.

War für dich schnell klar, dass du über dein Coming-out so ausführlich sprechen möchtest?

Ja, absolut. Für mich ist es super wichtig, immer wieder über das Thema zu sprechen. Ich weiß noch, wie das früher bei meinem Coming-out war. Da haben noch nicht viele Leute darüber gesprochen und das einzige, was mir wirklich geholfen hat, zu mir selbst zu stehen und eben damit rauszukommen, waren wirklich Coming-out-Videos von anderen Youtubern. Das war dann auch der Grund, warum ich meins hochgeladen habe.

Gleich zu Beginn steht folgendes Zitat von dir: "Oute dich vor den Leuten, vor denen du dich outen willst. Mach alles so, wie dein Bauchgefühl es sagt. Das wird dir den Weg zeigen, glaub mir. Be proud! Es gibt nichts, wofür du dich schämen müsstest." Was ist dir daran im Hinblick auf deine eigenen Erfahrungen besonders wichtig?

Mir ist vor allem wichtig, mit dieser Message Menschen zu zeigen, dass jeder sein Coming-out anders gestaltet. Es gibt nicht den einen Weg, jeder findet da seinen eigenen. Ich zum Beispiel habe es einfach in die Welt rausgeschrien und dann gibt es Menschen, die möchten das vielleicht einfach gar nicht so groß thematisieren. Ich habe auf mein Bauchgefühl gehört und das hat mir den Weg gezeigt. Ich finde es super wichtig, dass da jeder seinen eigenen Weg findet, mit dem er sich vor allem wohlfühlt.

"Die größte Hürde war tatsächlich, sich vor den Spiegel zu stellen und zu sagen: Ich bin lesbisch!"

Der 31. Juli 2015: Welche Emotionen löst dieser Tag bei dir aus?

Da war ganz viel Angst dabei. Ich war sehr aufgeregt, aber im positiven Sinne, weil ich sehr gespannt war, was eigentlich passiert, wenn jemand, der schon in der Öffentlichkeit steht, so offen über seine Sexualität spricht. Ich habe damit ja selbst zu diesem Zeitpunkt noch gar keine Erfahrung gemacht.

Du hast dich vor Millionen von Menschen mit deinem Youtube-Video "Coming Out" mit den Worten "Ich bin lesbisch" offenbart. Wie schwer war dieser Schritt?

Das öffentliche Coming-out war natürlich super, super schwer, aber: Der allerschwerste Schritt war das Coming-out vor mir selbst. Die größte Hürde war tatsächlich, sich vor den Spiegel zu stellen und zu sagen: Ich bin lesbisch! Das habe ich wirklich erstmal nicht hinbekommen. Ich habe allein in meinem Zimmer vor dem Spiegel gestanden und es super lange nicht geschafft, diesen Satz einfach auszusprechen.

Mit 18 hast du erstmals daran gedacht, lesbisch zu sein, beschreibst du in dem Buch.

Im Unterbewusstsein war es mir irgendwo klar. Ich habe aber immer gedacht, dass ich vielleicht einfach noch nicht den richtigen Mann gefunden habe. Das waren immer meine Gedanken. Aber mir war schon bewusst, dass da irgendwas nicht stimmt, weil ich nie die Gefühle für einen Mann aufbringen konnte, die ich für eine Frau hätte aufbringen können. Schon allein, wenn ich mich nach Frauen umgeschaut habe, war das ein ganz anderes Gefühl als bei Männern.

"Das war ein Tabuthema für mich, obwohl ich sehr offen erzogen wurde."

Was war das Schwerste dabei?

Ich hatte natürlich super viel Angst davor, mir das überhaupt selbst einzugestehen. Als ich vor dem Spiegel stand, wollte ich das einfach nicht sagen. Das war ein Tabuthema für mich, obwohl ich sehr offen erzogen wurde. Ich habe mir immer wieder selbst gesagt, das darf nicht sein, das soll nicht sein, ich will das nicht. Irgendwann war ich aber an dem Punkt, wo ich festgestellt habe, dass ich so nicht weitermachen kann. Wenn ich meine Sexualität nicht auslebe, dann bin ich nicht ich selbst. Ich selbst zu sein war mir in dem Moment, als ich die Entscheidung getroffen habe, einfach wesentlich wichtiger, als mein Leben so weiterzuführen, wie ich es gemacht habe. Das war teilweise einfach ein Verstecken.

Du beschreibst, dass sich damals niemand geoutet hat und du dich mit niemandem identifizieren konntest. Wolltest du nach deinem öffentlichen Coming-out eine Vorbildfunktion für queere Teenager sein?

Absolut. Zu der Zeit, als ich mein öffentliches Coming-out hatte, habe ich festgestellt, dass das in Deutschland noch nicht wirklich jemand auf Youtube gemacht hat. Ich habe mir immer wieder super viele Videos von anderen internationalen Youtubern angeguckt, die ihr Coming-out hatten. Weil mir das so viel Mut gegeben und geholfen hat, wollte ich meine Plattform unbedingt für dasselbe nutzen. Ich weiß, wie schwer das für mich war, mit meinem Coming-out an die Öffentlichkeit zu gehen und mir das selbst einzugestehen. Weil mir diese Videos sehr geholfen haben, wollte ich der Jugend in Deutschland mit meinem Video genauso helfen.

Der Umzug nach Köln war für dich ein wichtiger Schritt. Was hat sich dort für dich geändert?

Ich bin mit 20 Jahren nach Köln gezogen. Das hat mir insofern geholfen, weil ich dort zum ersten Mal überhaupt in Kontakt gekommen bin mit Menschen aus der LGBTQ+-Szene. Ich bin auf dem Land aufgewachsen und da hatte ich keine Berührungspunkte mit Menschen aus der Community. Köln war insofern für mich sehr wichtig, weil ich wirklich da erstmals gesehen habe, hey, es ist vollkommen in Ordnung lesbisch zu sein. Ich habe dort die ersten Menschen aus der Community kennengelernt, die mir dann unbewusst Kraft gegeben haben und gezeigt haben, es ist in Ordnung und das sind alles natürlich normale Menschen. Das hat mir Mut gegeben.

"Es war mir ganz wichtig, dass ich mich zuerst vor Leuten oute, bei denen ich mich wirklich zu hundert Prozent sicher fühle."

Dagi Bee war nach deiner besten Freundin die zweite Person, vor der du dich geoutet hast. Warum?

Für mich sind Freunde auch teilweise wie Familie. Es war mir ganz wichtig, dass ich mich zuerst vor Leuten oute, bei denen ich mich wirklich zu hundert Prozent sicher fühle. Eigentlich konnte ich das bei meinen Eltern genauso. Die haben mich super offen erzogen, da gab es keine Probleme. Aber ich habe mich dazu entschieden, es zuerst meiner besten Freundin und dann Dagi zu erzählen, weil ich einfach super close mit den beiden bin. Bei Dagi hatte ich zum Beispiel auch das Gefühl, dass ich bei ihr einfach sicher bin. Das gibt einem dann auch noch mal ein gutes Gefühl und viel Kraft für die nächsten Coming-outs. Das Grundvertrauen ist ganz wichtig.

Welche mögliche Reaktion hattest du in deinem Kopf, bevor du das deinen Freundinnen erzählt hast?

Ich hatte auf jeden Fall Angst davor, dass sich weibliche Freunde von mir abwenden würden, weil sie in irgendeiner Form denken könnten, dass ich auf sie stehen würde. Daran kann ich mich gut erinnern, das war meine größte Angst. Deshalb war ich super nervös, das gerade meinen weiblichen Freunden zu erzählen. Ich kann aber auch dazu sagen, dass es mit jedem Mal einfacher wird.

Bist du auch auf Ablehnung gestoßen? Du sagst, dass unter deinem Video sich ungefiltert Hass in den Kommentaren entlud.

Ich bin zum Glück in meinem privaten Umfeld gar nicht auf Ablehnung gestoßen, was ich sehr schön finde. Wo ich auf Ablehnung gestoßen bin, war tatsächlich bei meinem öffentlichen Coming-out. Das hat sehr viel Aufmerksamkeit generiert. Da gab es natürlich auch sehr viel Hate unter dem Video. Das war aber tatsächlich das allererste Mal in meiner Youtube-Karriere, wo ich nicht davon beeinflusst war. Ich habe mir auch diese Hasskommentare durchgelesen. Die positiven haben zum Glück überwogen. Bei jedem Hate-Kommentar, den ich mir durchgelesen habe, habe ich mir gedacht: Ihr könnt mir gar nichts, weil ich so hinter meiner Aussage stehe und ich endlich ich selbst bin. Da kann man mich nicht angreifen.

"Deshalb finde ich es auch wichtig, immer wieder darüber zu sprechen und eben nicht aufzuhören."

Wie bist du damit umgegangen?

Die Kommentare habe ich nicht gelöscht. Ich glaube, das steht da alles noch. Ich finde es auch ganz wichtig, dass die Menschen sehen, dass wir noch lange nicht an dem Punkt angekommen sind, wo ein Coming-out nicht mehr nötig wäre. Deshalb fand ich es wichtig, das einfach offen stehen zu lassen, damit eben Menschen sehen können, dass wir noch einiges an Arbeit vor uns haben. Deshalb finde ich es auch wichtig, immer wieder darüber zu sprechen und eben nicht aufzuhören. Viele denken, wir wären schon an dem Punkt angekommen, an dem man das nicht mehr bräuchte. Aber man sieht eben an solchen Hasskommentaren, dass wir leider noch nicht da angekommen sind.

Hat der Hate seit 2015, als du dein Coming-out-Video hattest, zugenommen?

Für mich persönlich hat sich nicht viel geändert. Ich erlebe meine Community zum Glück gerade als sehr liebevoll, was mich sehr freut. Ich habe mit meiner Community einfach unglaublich liebe Menschen um mich herum. Ich weiß aber, dass das auch nicht bei jedem so ist. Jeder, der in der Öffentlichkeit steht, hat auf jeden Fall in unterschiedlichem Ausmaß mit Hate zu kämpfen. Der Hate im Netz ist einfach immer noch enorm hoch.

Was hat sich für dich nach deinem Coming-out geändert?

Was sich direkt nach meinem Coming-out tatsächlich geändert hat, war, dass ich dann erst in die Dating-Welt, so, wie sie für mich gepasst hat, eingestiegen bin. Da habe ich bei null angefangen. Ich war 19 Jahre alt, ich hatte schon Erfahrungen mit Jungs gesammelt, aber dann die Erfahrungen zu sammeln, die wirklich wichtig für mich waren, das war noch mal ein ganz neues Leben. Wirklich Frauen zu daten, war auf der einen Seite super schön, auf der anderen Seite war das natürlich auch mit Angst verbunden. Ich war eben schon 19 Jahre alt, hatte da noch gar keine Erfahrung und das war sehr spannend.

"Ich konnte jetzt auch in der Öffentlichkeit einfach ich sein."

2017 bist du nach Island ausgewandert und hast dich das erste Mal öffentlich mit einer Frau an deiner Seite gezeigt. Wie war das für dich?

Das war eine absolute Befreiung. Dadurch, dass ich das meine komplette Jugend einfach nie machen konnte beziehungsweise mir das selbst auch gar nicht so bewusst war, hat mir das so viel bedeutet. Ich konnte jetzt auch in der Öffentlichkeit einfach ich sein. Das war ein richtiges Freiheitsgefühl, weil ich mich einfach nicht mehr verstecken musste.

Wie hat deine Community darauf reagiert?

Gerade nach dem Coming-out, gerade weil ich auch sehr viele positive Reaktionen bekommen habe, waren auch auf Social Media weiterhin die Reaktionen sehr positiv. Natürlich gibt es immer den einen oder anderen, der sagt, das wäre eklig, unnatürlich, Abschaum. Da gibt es wirklich immer noch Menschen, die denken, das wäre nicht erlaubt. Größtenteils waren die Reaktionen aber zum Glück einfach positiv.

Allein auf Instagram folgen dir 3,6 Millionen Menschen, auf Youtube über 1,86 Millionen. Wie möchtest du deine Reichweite besonders nutzen?

Ich möchte auf jeden Fall weiter offen über die LGBTQ+-Szene sprechen. Ich finde, was sich auf jeden Fall ändern muss, ist einfach das Verständnis dafür und die Akzeptanz, dass Leute aus der LGBTQ+-Community ganz normale Menschen sind. Wir dürfen alle lieben wen wir wollen und ich finde, die Akzeptanz in dem Bereich müsste größer werden. Es gibt leider immer noch zu viele Menschen, die von eklig und unnatürlich sprechen. Diese Meinung ist leider noch viel zu sehr vertreten.

"Die Leute können jetzt ab sofort damit rechnen, ich bin wieder voll dabei."

Du machst dich für viele wichtige Themen stark.

Ich möchte auf jeden Fall auch weiterhin das Thema seelische Gesundheit, Ernährung und Sport thematisieren. Wir haben gerade eine Dokumentation zum Thema Depression in Planung. Ich glaube, dass es super wichtig ist, offen über Tabuthemen zu sprechen. Ich weiß, dass auch Themen wie Depressionen und mentale Gesundheit noch sehr große Tabuthemen sind. Die Dunkelziffer ist so hoch. So viele Menschen haben darunter so zu leiden. Das möchte ich ändern. Ich möchte so viel es geht, darüber sprechen und sagen, dass es normal ist. Vor allem ist es ok, sich auch einfach mal schlecht zu fühlen.

Weißt du schon, wann deine Fans mehr sehen können?

Ich habe tatsächlich gerade erst wieder angefangen, zu drehen. Ich war sehr lange auf Social Media nicht aktiv. Das letzte Video war acht Monate her. Die Leute können jetzt ab sofort damit rechnen, ich bin wieder voll dabei. Zwei neue Videos habe ich schon wieder hochgeladen.

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