Mit ihrer Aktion #allesdichtmachen haben Schauspieler vergangene Woche die Pandemiepolitik der Bundesregierung auf recht zynische Weise kritisiert. Teile der AfD und die Querdenker klatschten laut Beifall, Intensivmediziner sahen eine Schmerzgrenze überschritten.
"Freiheit, Solidarität, Widerspruch – spaltet Corona das Land?" fragte Moderatorin Maybrit Illner ihre Gäste am Donnerstagabend? Mit dabei auch Schauspieler Jan Josef Liefers. Er war selbst Teil der #allesdichtmachen-Aktion und verteidigte diese.
Dass sich im Hinblick auf die Aktion der insgesamt 53 Schauspieler zumindest ein gespaltenes Meinungsbild hervorgerufen hat, zeigte sich auch bei "Maybrit Illner". Wissenschaftsjournalistin Mai Thi Nguyen-Kim kritisierte die Aktion. Ganz klar formulierte sie:
Das waren die Gäste bei "Maybrit Illner" am 29. April 2021:
Als eine "Einmischung in die eigenen Angelegenheiten" bezeichnete Jan Josef Liefers die Aktion #allesdichtmachen bei "Maybrit Illner". Mit dieser Formulierung schloss der Schauspieler nahtlos an den Ton seines Videos an, das er zu der Aktion beigesteuert hatte. Für den Schauspieler sei es keine Frage, dass die Aktion ungerecht und undifferenziert gewesen sei.
Lauter sein und weniger schnell verpuffen als andere Aktionen wie #alarmstuferot, so lautete das Ziel Liefers. Er persiflierte in seinem Video besonders das Verhalten der Medien in der Pandemie: "Ich rede nicht von Gleichschaltung", erklärte Liefers. Jedoch sei die Berichterstattung zu homogen gewesen, kontroverse Meinungen von Menschen aus dem Kulturbereich unterrepräsentiert. Allerdings gab Liefers selbst zu, seit Weihnachten keine Zeitungen mehr zu lesen, worauf seine Meinung basierte, blieb also unklar.
Dass #allesdichtmachen anschließend von rechten Gruppen und Querdenkern "vereinnahmt" worden sei, schreckte Jan Josef Liefers im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen nicht ab, die ihre Videos längst zurückgezogen haben. Liefers betonte:
Darüber legte Liefers zu einem späteren Zeitpunkt in der Talkshow dar: "Bei relativ undifferenzierten Maßnahmen ist es schwer differenzierte Kritik zu erwarten."
In der Talkrunde gab es dafür Verständnis ebenso wie Unverständnis. FDP-Politiker Wolfgang Kubicki nannte die Aktion "pointiert". Boris Palmer (Bündnis 90/Die Grünen) – selbst eher ein Enfant terrible der Politik – outete sich als Fan. Palmer fand es ganz "großartig, was diese Künstler sich getraut haben". Er dankte Liefers für sein Video.
Und selbst das war dem Bürgermeister von Tübingen noch nicht genug Lobhudelei auf eine doch recht fragwürdige Aktion. Boris Palmer solidarisierte sich gar mit Jan Josef Liefers gegen die sogenannte "Lifestyle-Linken", die nicht mehr argumentieren, sondern nur noch ausgrenzen wollen würden. Und gegen die "Mechanismen der asozialen Medien, wo die lauteste Stimme die meiste Aufmerksamkeit bekommt". Dass ihn selbst ohne seine Facebook-Posts niemand außerhalb Tübingens kennen würde, verschwieg er dabei.
Wie passend der Zuspruch Palmers doch kam, um im Zynismus der Aktion zu verbleiben. Schließlich outete sich Jan Josef Liefers sich bei "Maybrit Illner" wiederum als eifriger Unterstützer des berühmten Tübinger Modellprojektes von Bürgermeister Boris Palmer. Eine Hand wäscht die andere.
Eine rationalere Sicht dagegen vertrat Wissenschaftsjournalistin und Youtuberin Mai Thi Nguyen-Kim. Sie war sich sicher: "Natürlich spaltet das eine Gesellschaft" – eine Spaltung, die sie bedauerte. Nguyen-Kim erklärte: "Wir belohnen medial die, die am lautesten schreien." Polarisierte Debatten hätten in der Pandemie grundsätzlich geschadet.
Die Wissenschaftsjournalistin betonte, Jan Josef Liefers hätte sich seiner Position und seines Einflusses gegenüber Personen von rechts stärker bewusst sein müssen: "Als beliebter Schauspieler haben Sie ja auch Einfluss". Mai Thi Nguyen-Kim erklärte, sie hätte Liefers auch gleich sagen können, dass ein solch zynisch-satirisches Video leicht vereinnahmt werden könne.
In der Missverständlichkeit der Botschaft von Liefers Video sah auch Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher ein Problem. Bildhaft sprach Tschentscher von benzinhaltiger Luft in der Pandemie.
Gut nur, dass ein solch spontan entfachtes mediales Feuer meist nicht sehr lang brennt. Da ist differenzierte Kritik eben oft doch etwas langlebiger.