Wissen
Coronavirus

Studie in Spanien räumt mit Corona-Mythos auf

MADRID, SPAIN - JUNE 12: People line up in front of a shop observing the social distancing after the Spanish government relaxed the novel coronavirus (Covid-19) pandemic restrictions within the gradua ...
In Madrid traf das Coronavirus die Bevölkerung besonders hart. Bild: AA / Burak Akbulut

Corona-Studie in Spanien: Herdenimmunität durch Ansteckung nicht erreichbar

08.07.2020, 07:55
Mehr «Wissen»

Zu Beginn der Corona-Pandemie war immer wieder von der sogenannten Herdenimmunität die Rede, also eine kollektive Immunität, die eintritt, wenn möglichst viele Menschen Antikörper gegen das Virus gebildet haben. Entweder durch Infektion oder durch Impfung. Ein paar Länder, wie etwa Schweden, setzten in der Bekämpfung des Virus sogar auf eine "Durchseuchung" der Bevölkerung.

Das bedeutet: Viele Menschen sollten sich rasch infizieren, um möglichst schnell eine Herdenimmunität zu erreichen. Kritiker hielten das für ein riskantes Vorhaben, da viele Infizierte die Ansteckungsgefahr für Risikogruppen erhöhen. Außerdem ist es äußerst unwahrscheinlich so eine Herdenimmunität zu erreichen, wie nun eine spanische Studie zeigt.

In dem Land, das besonders schwer von der Corona-Krise betroffen war, wiesen nur 5 Prozent der Bevölkerung Antikörper auf. Im Umkehrschluss heißt das: 95 Prozent der Menschen sind noch immer anfällig für das Virus. Um Herdenimmunität zu erreichen, müssten jedoch mindestens 60 Prozent der Bevölkerung über Antikörper verfügen.

2,3 Millionen Menschen könnten bereits infiziert gewesen sein

In der landesweiten Studie, die das Fachjournal "Lancet" veröffentlichte, wurden in einem Zeitraum von zwei Wochen insgesamt über 61.000 Teilnehmer mit einem Fragebogen auf Symptome befragt und auf Antikörper getestet. Fünf Prozent der Getesteten wiesen demnach Antikörper auf, das entspricht einem Gesamtbevölkerungsanteil von etwa 2,3 Millionen Menschen. Offiziell wurden in Spanien laut John Hopkins Universität (Stand: Dienstag) bisher knapp 252.000 Menschen positiv auf das Coronavirus getestet. Die Differenz der beiden Zahlen ergibt sich aus der Dunkelziffer, die nun genauer berechnet werden kann.

Bei den positiv auf Antikörper getesteten Personen gab es keinen Unterschied im Geschlecht. Kinder wurden dagegen seltener positiv getestet. Nur bei 3,1 Prozent der unter 10-Jährigen konnten Antikörper festgestellt werden. Außerdem konnte ein starker Unterschied zwischen den Städten und den Küstenregionen nachgewiesen werden. Während in Madrid, das besonders schwer von der Pandemie betroffen war, über zehn Prozent der Bevölkerung Antikörper hatte, waren es in den Küstenregionen weniger als drei Prozent.

Die Studie lässt Zweifel darüber aufkommen, ob eine Herdenimmunität ohne eine Impfung überhaupt möglich ist. Die Autorinnen und Autoren der Studie schlussfolgern daraus: "Für die künftige Bekämpfung der Pandemie bleiben also Maßnahmen wie Abstandhalten und das Identifizieren und Isolieren neuer Fälle unerlässlich."

(lau)