Wer aktuell aus dem Fenster seines Homeoffice blickt oder die – staatlich genehmigte – frische Luft schnappen geht, dem dürfte es aufgefallen sein: Der Himmel über Deutschland ist blau wie selten.
Wer dann Instagram aufmacht oder durch Twitter streift, dem dürften Postings wie diese aufgefallen sein:
Oder dieser hier, aus Instagram:
Diese und ähnliche Postings in sozialen Netzwerken stellen gerade augenscheinlich einen Zusammenhang her zwischen dem tatsächlich wunderbaren Wetter und der gefühlten Abwesenheit von Flugzeugen an unserem Himmel. Der Tenor: Dank des Coronavirus ist der Himmel so blau wie nie.
Das ist nicht nur ausgesprochen zynisch, denn dank des Coronavirus können wir diesen blauen Himmel nicht so genießen wie sonst üblich (mit Bier in der Hand und Freunden um uns herum). Dank des Coronavirus bangen gerade Unternehmen um ihre Zukunft, Selbständige um ihre Existenz und, ach ja, zehntausende Familien um ihre Angehörigen.
Nein, nicht nur das. Der Zusammenhang (Corona macht den Himmel blau) ist schlicht und ergreifend falsch. Ein kurzer Faktencheck.
Schon ein kurzer Blick in Flug-Tracking-Seiten wie "flightradar" zeigt, dass durchaus geflogen wird.
Wie ihr seht, seht ihr nichts. Beziehungsweise nicht das, was Postings wie die oben angeführten euch glauben machen wollen. Am Himmel über Deutschland ist auch in Corona-Zeiten einiges los.
Zwar sind deutlich weniger Flugzeuge unterwegs als noch vor einigen Tagen, wie die Deutsche Flugsicherung gegenüber watson bestätigte – dort spricht man von einem "dramatischen Einbruch der Verkehrsmenge über Deutschland und Europa" – dass aber sämtliche Flüge am Boden bleiben, davon kann keine Rede sein.
Wenn also Flugzeuge in der Luft sind, warum fehlen dann die Kondensstreifen? Warum ist der Himmel so blau? Mal ganz abgesehen davon, dass Kondensstreifen nichts über den chemischen Verschmutzungsgrad der Luft aussagen: Dass der Himmel über Deutschland so blau ist, liegt am Wetter.
Der Deutsche Wetterdienst (DWD) erklärte watson:
Derzeit flössen sehr trockene, arktisch-kontinentale Luftmassen aus Nordrussland nach Europa, die dazu führten, dass auch in höheren Luftschichten ab 10 Kilometern (da, wo Social-Media-Usern Kondensstreifen fehlen) die Luft sehr trocken sei. In so trockener Luft lösen sich Kondensstreifen rasch wieder auf. Gleichzeitig begünstigten diese Luftmassen eine klare Sicht in die Ferne. Diese Wetterlage sei allerdings "extrem selten für diese Jahreszeit", so der DWD.
In anderen Worten: Selbst wenn so viel wie üblich geflogen würde, wäre der Himmel aktuell tiefblau.
Die Beobachtung eines tiefblauen Himmels hat also nichts mit dem eingebrochenen Flugverkehr über Europa zu tun und ist damit auch nicht auf das Coronavirus zurückzuführen.
(pcl)